Abgeklärt, ruhig, gelassen. Das ist Lia Wälti – auf und neben dem Platz. Die Mittelfeldspielerin spielt so, wie sie spricht. Immer überlegt, mit grosser Überzeugung und Sicherheit. Im Spiel lässt sie sich nicht so schnell aus der Ruhe bringen, nach dem Abpfiff liefert sie den Medien punktgenaue Analysen.
Erst 24 Jahre alt, gehört Wälti bereits zu den Führungsspielerinnen im Frauen-Nationalteam. Sie selbst sagt von sich: «Ich sehe mich als Leaderin. Ich kann gut kommunizieren und auf dem Platz treffe ich Entscheidungen oder unterstütze die Jungen. Aber ich schiesse keine entscheidenden Tore, deshalb sehe ich mich als Führungsspielerin im Hintergrund.»
Fussball statt Hockey – und das im Emmental!
Vielleicht ist diese Ruhe auch in ihrer Herkunft begründet. Aufgewachsen ist Lia Wälti in Langnau im Emmental. Beschauliche Gegend, wunderbare Landschaft und – eigentlich eine Eishockey-Stadt. «Früher spielte ich auch Hockey, mein Vater baute uns im Garten sogar eine eigene Eisbahn. Aber zusammen mit meinen Freunden ging ich dann in den Fussballklub.»
Ich liebe den Fussball, aber ich fühle mich nicht als Profi. Für mich ist ein zweites Standbein wichtig. Deshalb bezeichne ich mich lieber als Studentin.
2002 war das, als Wälti dem FC Langnau beitrat. Fortan spielte sie immer mit Buben zusammen. Bis in die U16 bei den Young Boys. Danach folgte 2013 der Wechsel zum NLA-Team der Frauen. «Ich habe viel davon profitiert, so lange mit Jungs zusammenzuspielen. Gerade in der Pubertät, weil ich da körperlich immer gefordert war. Der Schritt zum Frauenfussball ist mir dadurch einfacher gefallen», sagt Wälti, die Andrés Iniesta und Zinédine Zidane zu ihren Vorbildern zählt.
Fussballprofi? Sie bezeichnet sich als Studentin
Seit drei Jahren spielt Lia Wälti bei Potsdam in der Bundesliga, seit 2016 ist sie Captain. Es gefällt ihr in Deutschland. Was ihr indes nicht gefällt, ist das Wort Fussballprofi: «Ich liebe den Fussball, aber ich fühle mich nicht als Profi. Für mich ist ein zweites Standbein wichtig, ich möchte mich nicht auf dem Leben als Fussballerin ausruhen. Deshalb bezeichne ich mich lieber als Studentin», so Wälti. Momentan holt sie die Berufsmatur nach, später will sie im sozialen Bereich arbeiten.
Potsdam, die Bundesliga und das Studium sind in diesen Tagen allerdings weit weg. Was zählt, ist die EM und das Spiel gegen Frankreich am Mittwoch. Spielte Lia Wälti im ersten Match gegen Österreich noch auf der angestammten Sechserposition, glänzte sie gegen Island als Innenverteidigerin. Gut möglich, dass sie auch gegen Frankreich das defensive Schweizer Gewissen sein wird. Egal auf welcher Position, so schnell lässt sie sich nicht aus der Ruhe bringen.
Sendebezug: SRF zwei, sportaktuell, 25.7.2017, 22.45 Uhr