Eine Stunde ist im Wankdorf gespielt, als der Schiedsrichter-Assistent einen Doppelwechsel anzeigt. YB liegt nach verlorenem Final-Hinspiel gegen GC auch in der Reprise 0:1 im Hintertreffen. Auf der Anzeigetafel leuchtet grün die «7» auf. Es ist nur ein Moment in einem verrückten Endspiel, doch letztlich jener Augenblick, der Anfang und Ende zugleich von mehreren Geschichten ist.
«Konnte noch laufen»: Aus «maximal 30 Minuten» wird eine Stunde
Protagonistin all dieser Geschichten ist jene Nummer 7: Naomi Luyet. Die «Spielerin der Saison» gibt nach langer Verletzung das kaum mehr erwartete Comeback. Nach furiosem Herbst mit 8 Toren in 11 Partien und starken Auftritten in der Nati zieht sich Luyet im November eine Beckenverletzung zu. Die Zeit ihres Ausfalls wird länger und länger. Medizinische Updates aus Bern? Fehlanzeige.
«Es ist unglaublich», wird Luyet nach dem Spiel sagen, «das Comeback vor so vielen Leuten zu Hause – es könnte nicht besser sein.» Mit dem Staff ist abgesprochen, dass sie «für maximal eine halbe Stunde» eingesetzt wird. Doch der Luyet-Effekt setzt schon viel früher ein. 9 Minuten nach ihrer Einwechslung haben die Young Boys das Spiel gedreht. 2:1, bei beiden Toren hat die 19-Jährige ihre Füsse im Spiel.
Nach 90 Minuten steht fest, dass es in die Verlängerung geht. Was heisst das für den 30-Minuten-Plan der Rückkehrerin? «Es war schon streng. Aber ich konnte noch laufen, also habe ich weitergemacht.» Am Ende muss das Penaltyschiessen über nicht weniger als den Meistertitel entscheiden. Dass Luyet ihren Versuch sehenswert verwandelt? Passt zur sportlichen Feel-Good-Story der Woche.
Dankbar sei sie, gibt die Tempomacherin nach dem Happy End zu Protokoll: der medizinischen Abteilung, aber auch Trainerin Imke Wübbenhorst, die ihr trotz zuletzt wenigen Trainings das Vertrauen aussprach. Die letzten Monate seien schwierig gewesen. «Ich bin froh, dass ich es hinter mir habe», so Luyet.
Wird die EM wieder zum Thema?
Zeugin dieser Wiederauferstehung ist am Samstag in Bern Pia Sundhage. Wird Luyet nun wieder zum Thema für die vor der Tür stehende Heim-EM? Luyet wiegelt ab: «Ich nehme Schritt für Schritt, dann schauen wir weiter.»
Weiterschauen heisst es auch in Sachen Klubfussball. Möglicherweise war der Final-Auftritt Luyets finale Vorstellung für «Gelb-Schwarz». Ihre Leistungen haben Begehrlichkeiten geweckt, sie wisse noch nicht, wie es nächste Saison weitergehe.
Bleibt sie von Verletzungen verschont, wird Luyet der Super League ohnehin bald entwachsen. Garrincha, David Beckham, Cristiano Ronaldo und so weiter: die Liste an männlichen Fussballlegenden, die die Nummer 7 trugen, ist beachtlich. Luyet hat das Zeug, ebendiese Zahl auf Frauenseite zur Marke zu machen.