Elaine Thompson-Herah schaute ungläubig auf die Anzeigentafel. Die Konkurrentinnen fielen ihr schon um den Hals, aber Jamaikas Sprint-Königin konnte es gar nicht fassen. 10,54 Sekunden über 100 m, nur einen Wimpernschlag langsamer als die sagenumwobene Florence Griffith-Joyner und erst die zweite Frau unter 10,60 Sekunden. Schlicht eine Wahnsinns-Zeit.
In 10,54 Sekunden liess es Thompson-Herah beim Diamond-League-Meeting in Eugene/USA bei ihrem ersten Auftritt nach dem Olympia-Triumph gleich wieder richtig krachen. Und dann kündigte die 29-Jährige nach ihrer Machtdemonstration an, dass die Uralt-Bestmarke aus der Ära des Anabolika-Dopings bald fallen könnte.
Ich denke, der Rekord ist in Reichweite.
«Ich denke, der Rekord ist in Reichweite, weil ich 10,5 gelaufen bin und noch so viel mehr in mir habe», sagte Thompson-Herah, die in Tokio drei Mal Gold gewonnen hatte, nach der zweitbesten Zeit der Geschichte.
Thompson-Herah will Geschichte schreiben
Vor 33 Jahren war Griffith-Joyner in 10,49 Sekunden den Fabelweltrekord gelaufen, der auf alle Zeiten unantastbar schien. Thompson-Herah, die in Tokio nach ebenfalls ganz starken 10,61 Sekunden wie vor fünf Jahren in Rio das Sprint-Double geholt hatte, schickt sich nun an, die Geschichte umzuschreiben.
Schon am Samstag in Eugene, am Ort der WM 2022, wäre vielleicht mehr möglich gewesen, wenn die Windunterstützung etwas stärker gewesen wäre als die gemessenen 0,9 m/s.
Wahnsinns-Zeit wirft Fragen auf
Als «erstaunlich» empfand Thompson-Herah ihre Leistung – und auch so mancher Dopingfahnder dürfte gestaunt haben. Schliesslich gilt die Zeit von Griffith-Joyner, die 1998 im Alter von nur 38 Jahren starb, als – nun ja – stark belastet. Und wenn Thompson-Herah nun nur unwesentlich langsamer ist, wirft dies natürlich Fragen auf. Zumal das Anti-Doping-System in der jüngeren Vergangenheit wegen Corona lange brach lag.
Doch die Jagd nach dem «Flo-Jo»-Weltrekord geht weiter, schon am Donnerstag hat Thompson-Herah in Lausanne die nächste Chance. Es sei ihr «Job», eine «Generation zu inspirieren», sagte sie über ihre Mission: «Ich muss den Job erledigen.»