Noch vor wenigen Monaten kannte Yanic Konan Niederhäuser in Nordamerika kaum jemand. Bloss an der Penn State University, wo der Schweizer spielte, hatte er sich einen Namen gemacht. Doch in den letzten Monaten durfte sich der 22-Jährige bei etlichen NBA-Klubs präsentieren und glänzte gleichzeitig sportlich bei sämtlichen Sichtungs-Camps.
So kletterte Niederhäuser in den Rankings nach oben und wurde im Draft am Mittwochabend tatsächlich in der 1. Runde an 30. Stelle von den Los Angeles Clippers ausgewählt. Auch SRF-Basketball-Experte Renato Maggi war darüber überrascht: «Niemand hat damit gerechnet, dass er in der 1. Runde gedraftet wird. Aber Yanic hat sich in sehr kurzer Zeit sehr stark entwickelt. Seine Combines, in denen er begeistert hat, haben erst dazu geführt, dass ihn die Teams als Erstrunden-Draft wahrgenommen haben.»
Wer wurde vor Michael Jordan ausgewählt?
Einen grossen Startvorteil, bereits so früh ausgewählt worden zu sein, sieht Maggi für Niederhäuser jedoch nicht: «Man muss schon sehen, dass die NBA die Liga mit den besten Basketballern der gesamten Welt ist. Es ist noch einmal etwas ganz anders als die College-Liga mit 4000 Spielern. Kein Mensch erinnert sich zum Beispiel mehr daran, welche beiden Spieler 1984 vor Michael Jordan – damals die Nummer 3 im Draft – ausgewählt worden sind», zieht er einen bildhaften Vergleich. Es sei aber auf jeden Fall vielversprechend, dass Niederhäuser in relativ kurzer Zeit viele Leute mit seiner Einstellung und seinem Charakter habe für sich habe begeistern können.
Zunächst geht es für den Schweizer nun darum, sich in Form zu bringen. Dies geschehe in mehreren Stufen:
- Einerseits auf privater Basis, denn «in der NBA ist es wie zum Bespiel in der NHL: Im Sommer sind die Spieler auf sich alleine gestellt und trainieren ohne Hilfe des Klubs».
- Danach geht es in die Summer League, wo sich die vielversprechendsten NBA-Talente untereinander im Wettbewerb messen.
- Kann sich ein Spieler dort aufdrängen, geht es ins Trainingscamp der NBA-Teams.
- Kurz vor der Saisonstart gibt es auch dort noch einmal einen Cut, wo überzählige Spieler aussortiert werden.
Die Nische finden
Der Weg in die NBA ist also auch für grosse Talente weit. Trotz allem findet Maggi, Niederhäuser habe sich «eine Superbasis verschafft». Nun gehe es für den Freiburger darum, zu überlegen, mit welchen Mitteln er bei seinem neuen Team punkten könne.
«Er muss eine Nische finden, mit der er überzeugen kann. Etwas, das die Coaches immer schätzen, sind defensiv verlässliche Spieler oder grosse Spieler, die sich in der Verteidigung gut bewegen und gegnerische Offensivaktionen beeinflussen können», sagt Maggi. Eigenschaften, die der 2,13-m-Mann Niederhäuser mitbringe.
Die Clippers warten noch auf einen Titel
Das neue Zuhause des Schweizers beurteilt Maggi indes aus sportlicher Sicht nicht ganz so euphorisch: «Die Clippers sind ein schwieriger Kandidat. Sie sind in Los Angeles so etwas wie der ‹kleine Bruder› der Lakers.» Das Team versuche seit Jahren, mit grossen Namen – so spielten letzte Saison die Superstars James Harden und Kawhi Leonard für die Clippers – und zahlreichen Wechseln den grossen Wurf zu schaffen, «aber irgendwie hat es noch nie so richtig funktioniert».
Mit Ex-Microsoft-CEO Steve Balmer hat man immerhin einen Besitzer, der massiv in die Infrastruktur investiere und für ein solides Fundament sorgt. Trotz allem sind die Clippers eines von 10 Teams, das noch keinen NBA-Titel gewinnen konnte.