«Plötzlich werde ich von Athletinnen überholt, die ich sonst im Griff habe», konstatierte Amy Baserga. Oder Niklas Hartweg sagte: «Im Anstieg kann ich dank der tollen Form das Loch schliessen, und in der Abfahrt geht es wieder auf.» Lena Häcki-Gross kommentierte ihre mässige Leistung mit den Worten: «Es liegt nicht an der Form.» Und Sebastian Stalder dachte sogar laut über eine vorzeitige Heimreise nach.
Die Kritik am Material gilt vor den TV-Kameras als verpönt, und die Biathletinnen und Biathleten von Swiss-Ski hielten sich auch dran. Aber gleichwohl drang fast in jedem Interview der Frust durch. Der Frust über den Nachteil am Start. Der Ski war selten gut genug, um eine Medaille zu gewinnen.
Zahlen belegen die Eindrücke
Lukas Keel, Chef Biathlon bei Swiss-Ski, gibt seinen Schützlingen recht. «Wir waren in Nove Mesto nicht zu 100 Prozent konkurrenzfähig», bestätigte er gegenüber Keystone-SDA . Das Gefühl und die Eindrücke der Aktiven kann er auch mit Zahlen belegen: «In der Regel verlieren wir als Team 4 bis 6 Prozent auf die Laufleistung der Besten. Hier waren es 11 bis 14 Prozent».
Die Ursache für diese Misere ist einerseits im 1. Jahr der fluorfreien Skibeläge zu suchen und liegt andererseits an den besonderen Schneeverhältnissen von Nove Mesto. Eigentlich hätte all dies ein Vorteil sein können, denn die Service-Crew von Swiss-Ski hat diesen Winter oft bessere Ski hingekriegt als die Konkurrenz. Ausgerechnet an der WM fand man das Geheimrezept nicht.
Schweizer Ski baut ab
Seit dem Fluor-Verbot mussten die Teams neue Wege suchen und gehen. Keel geht davon aus, dass das von Swiss-Ski neu entwickelte und eingesetzte Wachs auf Silikonbasis nicht die gewünschte Wirkung zeigte. Er sagte: «Wir hatten ein grundlegendes Problem: Der Ski liess mit der Zeit nach.» Hauptgrund dafür sei der viele Dreck auf den Loipen, der negativ mit dem Silikon interagierte.
Bereits zu Beginn der WM, als die Mixed-Staffel nach einem tollen Rennen die Bronzemedaille nur knapp verpasst hatte und noch niemand vom Material sprach, läuteten bei Keel und Co. die Alarmglocken. Insbesondere die laufstarke Häcki-Gross hätte eigentlich in der Loipe eine noch bessere Leistung erbringen müssen.
Grosse Nationen im Vorteil
Das Schweizer Team stand mit den Problemen nicht alleine da. Norwegen oder Frankreich hatten von Beginn an einen Vorteil, andere Nationen wie beispielsweise Italien konnten in der zweiten Woche reagieren. Auch Swiss-Ski zog Experten aus der Schweiz hinzu, aber der Durchbruch gelang nicht. Erst im letzten Rennen, dem Massenstart vom Sonntagabend, schlugen Hartweg und Stalder versöhnliche Töne an.
«Jetzt hadern wir, weil wir keine Medaille gewonnen haben. Das ist richtig, wir sind im Leistungsport», so Keel. Aber das Hadern sei auch nur möglich, weil man nicht mehr meilenweit hinterher hinke.