Schwarzes Stirnband, schwarzer Pferdeschwanz, die Ärmel ihres Langarmshirts nach oben geschoben: So trat Elnaz Rekabi zum Kletter-Final bei den Asienmeisterschaften an. Sie sah aus wie jede x-beliebige Sportlerin. Aber eben nicht in ihrer iranischen Heimat, denn ein entscheidendes Detail fehlte: das Kopftuch.
Rekabi verpasste zwar das Podest, doch ihr 4. Platz ist Makulatur. Sie hat etwas Grösseres vollbracht. Eine ganz persönliche Revolution, die sie im Handumdrehen weltberühmt machte. Vor 6 Jahren hatte Rekabi als erste professionelle Klettersportlerin ihres Landes noch ihren grossen Respekt für die eigene Verschleierung mit religiösem Hintergrund bekundet. Sie entwarf wegen der starken Hitze beim Klettern gar ein Outfit, «das den Hidschab respektiert und mit dem Klettersport vereinbar ist».
Zwischen Bewunderung und Bedenken
Doch jetzt ist es genug. Rekabi reiht sich in die Riege derer ein, die mit Protesten gegen die Geschlechterdiskriminierung in ihrer Heimat aufstehen. Mit diesem Mut erntet sie riesige Bewunderung.
Ein «unglaublicher Moment» schreibt der im Iran geborene BBC -Korrespondent Bahman Kalbasi zum Video der 33-Jährigen. Die deutsche Journalistin Natalie Amiri sieht «eine Revolution im iranischen Profisport». Doch sie hat auch Bedenken: «Die Frage ist, ob sie jetzt wieder zurückkehren kann oder wird.»
Amiri machte sich zurecht Sorgen. Gemäss BBC sollen der Iranerin kurz nach dem Wettkampf der Pass und das Mobiltelefon abgenommen worden sein. Zudem soll sie am Dienstagmorgen unplanmässig aus Seoul Richtung Teheran ausgeflogen worden sein. Ihr Rückflug wäre ursprünglich am Mittwoch angesetzt gewesen.
Gewisse Meldungen, dass Rekabi nun das Gefängnis drohe, wiesen offizielle Stellen in Teheran umgehend als «Falschinformationen» zurück. Die iranische Botschaft in Südkorea liess Anfragen bezüglich Rekabis Aufenthaltsort jedoch unbeantwortet. Beobachter rechnen mit einem Ausschluss Rekabis aus der Nationalmannschaft und einem Ausreiseverbot. Kritiker fürchten, dass Rekabi festgenommen und eingeschüchtert wurde.
Weltverband nimmt Kontakt auf
Der internationale Sportkletter-Weltverband (IFSC) hat Kontakt zu Rekabi aufgenommen. «Soweit wir wissen, kehrt sie zurück in den Iran, und wir werden weiter beobachten, wie sich die Situation nach ihrer Ankunft entwickelt», heisst es in einer Stellungnahme des Verbandes. Man versuche aktuell, «die Fakten zu ermitteln».
Die Sicherheit von Sportlerinnen und Sportlern stehe «an erster Stelle», der Verband unterstütze «alle Bemühungen, ein geschätztes Mitglied unserer Gemeinschaft in dieser Situation zu schützen».
Erzwungene Stellungnahme?
Auf Rekabis Instagram-Seite wurde am Dienstag ein persönliches Statement veröffentlicht. Sie entschuldigte sich zunächst «für die Sorgen, die ich verursacht habe», heisst es da. Dass sie bei ihrem Wettkampf am Sonntag ihre traditionelle Kopfbedeckung nicht getragen habe, sei «unabsichtlich» gewesen.
Ihr Hidschab sei «ungewollt problematisch geworden», da sie schnell und plötzlich zum Wettkampf gerufen worden sei. Experten befürchten, dass es sich jedoch um eine erzwungene Stellungnahme handeln könnte.
Rekabi ist nicht allein
Auch im Ausland haben iranische Frauen in Sportwettbewerben Kopftücher zu tragen. Eine Sittenregel, die mittlerweile immer öfter vehement infrage gestellt wird. Seit Wochen protestieren vor allem Frauen in der islamischen Welt gegen Regierung und Regeln. Sie verbrennen ihre Kopftücher oder demonstrieren geschlossen – als Reaktion auf das Schicksal von Mahsa Amini.
Die 22-Jährige war im September festgenommen worden, weil sie ihr Kopftuch nicht streng vorschriftsmässig getragen haben soll. Kurze Zeit später war sie tot, die Umstände sind ungeklärt, die Auswirkungen riesig.