Sascha Lehmanns Hände sind von Schrammen übersät. Unübersehbar scheut sich hier einer nicht, mit den Händen hart zu arbeiten. Ab dieser Woche tut er dies für einmal wenige Minuten von seinem Zuhause entfernt. «Das wird ein unglaublicher Event hier in Bern», freut sich der passionierte Sportkletterer auf die WM in der PostFinance-Arena.
Die Leidenschaft hat den 25-Jährigen, der aus Burgdorf stammt, schon früh gepackt. In seiner polysportiven Familie gehörte die Kletterausrüstung in jeden Ferien – oft mit dem Campingzelt in Kroatien oder Sardinien – und auch an manchen Wochenenden im Jura zum Gepäck.
Physik und Mathematik studiert
Schon als Junior feierte Lehmann internationale Erfolge. Nach der Matura konzentrierte er sich vier Jahre auf den Sport, ehe er an der Uni Bern eineinhalb Jahre Physik und Mathematik studierte. Dann nahm er – im Hinblick auf die Olympischen Spiele 2024 in Paris – die Chance eines 50-Prozent-Pensums als Zeitsoldat bei der Armee wahr.
Ein WM-Titel wäre eine unglaubliche Erfahrung.
Es sei gerade eine spannende Zeit für das Sportklettern, meint Lehmann. Zum zweiten Mal wird es in einem Jahr in Paris olympisch sein, dannzumal mit einem Medaillensatz mehr als 2021 bei der Premiere in Tokio. Das erhöht die Chancen von Lehmann, der vor zwei Jahren die Qualifikation verpasst hatte.
Suche nach dem Flow-Zustand
Am besten gefällt Lehmann der Wettkampf im Lead. Dabei gilt es, in einem Parcours in der 15 Meter hohen Wand innerhalb von sechs Minuten so weit wie möglich zu kommen. «Da komme ich am ehesten in den Flow-Zustand, den jeder Sportler sucht», schwärmt Lehmann.
Beim Bouldern muss man versuchen, innert der vorgegebenen Zeit mit möglichst wenigen Versuchen möglichst viele Hindernisse zu überwinden. «Das sind auch sehr coole Bewegungen», erklärt der Berner. «Es ist etwas mehr Zirkus, weil man mehrere Versuche hat und mehr ans Limit gehen kann.»
In Bern werden bei Männern und Frauen je vier Medaillensätze vergeben: im Speed, das für Lehmann vom Training her eher der Leichtathletik ähnelt und das er seit der missglückten Qualifikation für Tokio nicht mehr betreibt, im Lead und im Bouldern. Die besten 20 qualifizieren sich für den Kombi-Halbfinal. Dort werden dann die ersten drei Quotenplätze für Paris vergeben.
Willkommener Druck
Doch zunächst gilt der Fokus einzig der Heim-WM. «Die Einzeldisziplinen haben bei uns einen hohen Stellenwert. Ein WM-Titel wäre eine unglaubliche Erfahrung.» Prognosen sind schwierig. Im Juni feierte Lehmann in Innsbruck beim Saisonstart seinen zweiten Weltcupsieg, vor gut drei Wochen klappte es beim Heim-Weltcup in Villars mit dem 18. Platz weniger gut.
Den zusätzlichen Druck zuhause empfindet er aber nicht als belastend. «Das ist doch einfach mega schön», betont er. «Wenn man als Sportler Angst hat vor Drucksituationen, ist man am falschen Ort. Für diese Challenges trainiert man doch.»