Stefan Küng gehört zu jener Sorte Sportler, die in der Regel gerne und ausführlich Auskunft geben. Der Radprofi mit Matura-Abschluss erklärt, ordnet ein und ist volksnah. Aktuell tut sich Küng aber schwer damit, sich unter die Leute zu mischen.
Knapp zwei Wochen nach dem Tod von Gino Mäder, der den Verletzungen nach seinem Sturz am Albulapass erlegen ist, sitzt der Schmerz beim Zeitfahr- und Klassiker-Spezialisten noch immer tief. Küng gehörte zu jenen Fahrern, die sich nach dem tödlichen Drama von der Tour de Suisse zurückgezogen haben. «Ich brauchte Abstand, Zeit für mich.»
Küng ging nach Hause zu seiner Familie, wo er versuchte, den «riesen Schock» zu verarbeiten. Immer im Wissen, dass für ihn bald die Tour de France ansteht.
Schon vor einem Jahr war er nach der Geburt von Sohn Noé und nach einer Covid-Erkrankung unter speziellen Umständen zur Frankreich-Rundfahrt nach Kopenhagen gereist, wo er sich im Auftaktzeitfahren mit dem 14. Rang begnügen musste. Doch diesmal «ist nochmals alles anders», wenn es am Samstag in Bilbao mit der 110. Frankreich-Rundfahrt losgeht.
Zeitfahren nicht nach Küngs Geschmack
«Ich habe mich noch nicht so intensiv mit der Tour de France befasst wie in anderen Jahren», gesteht Küng. Das liegt zum einen an der Tragödie um Mäder, zum anderen hätte er sich für die Rundfahrt auch ein «ultimatives Ziel gewünscht, auf das ich mich fokussieren kann». Doch das einzige Zeitfahren mit den vielen Höhenmetern ist nicht auf seine Stärken zugeschnitten.
Als Road Captain, eine Art verlängerter Arm des sportlichen Leiters, steht für Küng bei Groupama-FDJ primär das Team im Zentrum. «Wir werden unseren Leader David Gaudu so gut als möglich unterstützen.» Der schmächtige Franzose wurde im Vorjahr Gesamtvierter. Nun soll es für den 26-Jährigen, der in seiner Heimat als grosser Hoffnungsträger gilt, aufs Podium gehen.
Vielleicht bietet sich Küng während der drei Wochen die Chance, als Ausreisser auf einer Etappe mit Klassikerprofil sein eigenes Glück zu suchen. «Dafür gibt es mehrere Möglichkeiten», so Küng, der an der Tour schon mehrmals Etappen-Zweiter und -Vierter geworden ist.
Zum ganz grossen Coup hat es ihm bislang noch nicht gereicht. Vielleicht klappt es in diesem Jahr. Es wäre ein Sieg für ihn, aber auch für Gino Mäder, der heuer zum ersten Mal an der Tour de France hätte teilnehmen sollen.