Tadej Pogacar verzichtet auf die Titelverteidigung in Rosa, Jonas Vingegaard ist gedanklich schon bei der Tour de France, auch Doppel-Olympiasieger Remco Evenepoel setzt andere Prioritäten. Wenn am Freitag in Albanien der Startschuss zum 108. Giro d'Italia fällt, glänzen die Top-Stars des Radsports reihenweise durch Abwesenheit.
Die Gründe sind individuell, die Konsequenzen identisch: Die grössten Namen werden sich bei der Italien-Rundfahrt nicht duellieren. Ein Einzelfall ist das nicht. Abseits der Tour de France und einiger weniger Klassiker kommt es zu selten zum Aufeinandertreffen der Besten. Glaubt man verschiedenen Akteuren im Radsport, ist das ein Problem – für die Vermarktung, die Attraktivität und das Wachstum der gesamten Sportart.
Wenn man sich das in anderen Sportarten anschaut, beispielsweise in der Formel 1, da gibt es gar keine Diskussion: Da fahren die besten Rennfahrer die ganze Serie.
Das Projekt «One Cycling» will – gespeist mit reichlich Geld aus Saudi-Arabien – am Status quo rütteln und Lösungen bieten.
«Die Grundidee ist total simpel», sagt Ralph Denk, Teamchef bei Red Bull-Bora-hansgrohe und ein Befürworter der Rad-Reform: «One Cycling will einfach, dass die besten Rennfahrer der Welt bei den grössten Radrennen in Zukunft öfter gegeneinander antreten. Wenn man sich das in anderen Sportarten anschaut, beispielsweise in der Formel 1, da gibt es gar keine Diskussion: Da fahren die besten Rennfahrer die ganze Serie.»
«Loch Ness des Radsports»
Nun ist die Struktur des Profi-Radsports eine weniger zentralisierte. Die wichtigsten Rennen sind in der WorldTour des Weltverbandes UCI zusammengefasst, Renn-Organisatoren wie die mächtige ASO (Tour de France), RCS (Giro) oder Flanders Classics kämpfen um politischen und finanziellen Einfluss, die Teams verfolgen ihre Eigeninteressen.
Der volle Umfang der Pläne von «One Cycling» ist öffentlich nicht bekannt. Aufgrund von Vertraulichkeitsklauseln dringt wenig nach aussen. Als «Loch Ness des Radsports» bezeichnete die belgische Tageszeitung Het Laatste Nieuws das Projekt, über das alle reden und das doch (noch) nicht vollends in Erscheinung tritt.
Laut Het Laatste Nieuws sind die Gespräche jedoch weit fortgeschritten. Schon 2026 könnte die Serie an den Start gehen, inklusive neuer Rennen in Asien und Nordamerika. Welche Teams und Stakeholder sich letztlich verpflichten, bleibt abzuwarten.
Verbände stellen sich quer
Nachteilig könnte «One Cycling» aber vor allem für die derzeitige Dominanz von UCI und ASO werden. «Wir wollen keine abtrünnige Liga, wir wollen keine private Liga. Das ist die rote Linie», hatte UCI-Präsident David Lappartient zu Jahresbeginn gesagt.
Eine Rebellion soll verhindert werden, zu einer friedlichen Revolution könnte es angesichts eines kolportierten Investments von bis zu 250 Millionen Euro aber kommen.