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Frankreichs Liebling Richard Virenque.
Legende: Im Mittelpunkt des Skandals Frankreichs Liebling Richard Virenque. imago

Der Festina-Skandal TdF 1998: Der Radsport am Doping-Abgrund

Vor 20 Jahren erschüttert der Festina-Skandal die Tour de France. Der Radsport steht vor dem Abgrund und kämpft bis heute um seinen Ruf.

Willy Voet hat am 8. Juli 1998 besonderes Gepäck in seinen Fiat verladen. Der Betreuer des französischen Festina-Teams macht sich auf den Weg nach Calais, wo er die Fähre nach Dublin erwischen muss.

Dort startet drei Tage später die Tour de France mit Festina-Star Richard Virenque. Ebenfalls im Team: Die Schweizer Alex Zülle, Armin Meier und Laurent Dufaux.

Erwischt an der Grenze

Voet steuert in Belgien den kleinen Grenzübergang in Neuville-en-Ferrain an. Wie immer hat er für die Grenzbeamten Team-Trikots und Radmützen als nettes Mitbringsel zurechtgelegt. Aber diesmal wird der Belgier herausgewunken.

Mein Kühlschrank war immer voll mit Medikamenten.
Autor: Eric Rijkaert Arzt im Team Festina

Sein Wagen wird gefilzt: Die Recherchen der Zöllner bringen 236 Ampullen EPO, 82 Packungen mit Wachstumshormonen, Testosteron-Präparate, Amphetamine und Cortecoide zu Tage. Damit könnte locker dem gesamten Peloton Beine gemacht werden: Der bis dato grösste Doping-Skandal der TdF nimmt seinen Anfang.

Das lange Leugnen

Die Neuigkeiten schwappen nur peu à peu nach Dublin. Voet wird in Lille inhaftiert – Verdacht auf Drogen-Handel. Festina steht trotzdem am Start, Bergspezialist Virenque fährt den besten Prolog seiner Karriere.

Danach gibt er – auf Voet angesprochen - empört zu Protokoll: «Ich bin nicht verantwortlich für Dinge, die unser Personal tut.» Es dauert noch 5 Tage, bis die Equipe aus dem Rennen genommen wird. Teamchef Bruno Roussel wird festgenommen, genau wie Mannschafts-Arzt Eric Rijkaert. Auch die Festina-Fahrer landen vorübergehend hinter Gittern.

Rijkaert packt in Verhören aus, spricht von einem seit 1994 etablierten Doping-System im Team: «Mein Kühlschrank war immer voll mit Medikamenten.» Auch Zülle ist geständig, nur Virenque leugnet hartnäckig. Erst vor Gericht gibt er zwei Jahre später unter Tränen Doping zu und wird gesperrt. Nach seinem Rücktritt 2004 wird er in Frankreich zum gefragten Experten.

Streiks, Razzien, Flucht

Die Tour 1998 läuft weiter, die Profis streiken sitzend auf dem Asphalt und wollen damit gegen die angebliche Willkür der Polizei protestieren. Bei Razzien werden bei fast allen Teams Dopingmittel gefunden, weitere Fahrer und Betreuer werden festgesetzt. Die niederländische TVM-Mannschaft flieht während des Tour-Abstechers in der Schweiz, auch spanische Mannschaften fahren nach Hause.

Nur 96 von 198 gestarteten Fahrern erreichen am 2. August das Ziel auf den Champs Elysées. Der Sieger heisst Marco Pantani, vor Jan Ullrich. Im nächsten Jahr bricht die Ära von Lance Armstrong an, das nächste Desaster. Besserung kommt nur langsam in Sicht, der Heilungsprozess des Radsports dauert bis heute an.

Sendebezug: SRF zwei/srf.ch/sport, sportlive, 22.07.2018, 14:10 Uhr

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