Zwei Freunde, zwei Landsmänner, zwei Rivalen – das Duell um den Gesamtsieg an der Tour de France wird aller Voraussicht nach auf einen slowenischen Zweikampf hinauslaufen. Auf der einen Seite der derzeitige Leader Primoz Roglic, auf der anderen sein Herausforderer Tadej Pogacar, der 40 Sekunden hinter seinem Rivalen zurückliegt.
Mit Blick auf die dritte Woche meinte Roglic, er hätte gerne mehr Vorsprung auf seinen Kontrahenten. Der 30-Jährige weiss um die Stärke seines Widersachers, der gleichzeitig ein guter Freund ist. «Wir sind Freunde, das ändert aber nichts daran, dass wir beide unbedingt gewinnen wollen», stellte Roglic klar. «Ich werde Tadej keine Geschenke machen.»
Nach Pogacars Sieg am Grand Colombier waren Stimmen laut geworden, Roglic habe seinem 9 Jahre jüngeren Landsmann den Sieg generös überlassen. Doch auch Pogacar winkte ab. «Wir sind echte Kumpels, aber eben nicht auf den letzten Rennkilometern», so der Youngster.
Roglic mit Vorteilen in die Schlusswoche
Die Freundschaft der beiden slowenischen Überflieger wird bis zur Ankunft in Paris am kommenden Sonntag im Stand-by-Modus bleiben. Die Vorteile im Kampf um das Gelbe Trikot liegen nicht deutlich, aber doch grösstenteils bei Roglic:
- Der Vorsprung von 40 Sekunden klingt nach wenig, ist taktisch aber von grosser Bedeutung: Pogacar muss agieren, Roglic kann reagieren.
- Roglics Jumbo-Visma-Mannschaft ist die stärkste im Feld. Einen Wout Van Aert oder Tom Dumoulin als Berghelfer einzuspannen, ist eine paradiesische Situation. Pogacar hat in seinem UAE Team Emirates mit Fabio Aru und Davide Formolo zwei seiner wichtigsten Unterstützer verloren, ist meist Einzelkämpfer.
- Das Bergzeitfahren am vorletzten Tour-Tag auf die Planche des Belles Filles ist wie auf Roglic zugeschnitten – ein langes Rouleur-Stück im Flachen als Anfahrt, ehe es kräftig aufwärts geht. Sämtliche seiner Stärken kann er dort ausspielen, auch wenn Pogacar ebenfalls kein schlechter Zeitfahrer ist.
Nach dem zweiten Ruhetag geht es am Dienstag mit der ersten von zwei Alpen-Etappen weiter. Auf den 164 km von La Tour-du-Pin nach Villard-de-Lans Côte 2000 sind fünf Bergpreiswertungen zu absolvieren. Am Mittwoch warten auf dem Weg nach Méribel zwei Anstiege der höchsten Kategorie.
Sollten Roglic und Pogacar weiterhin keinerlei Schwächen offenbaren, dürfte auch die Anzahl an Zweifler zunehmen, die nicht an ein sauberes slowenisches Märchen glauben. Diesen versuchte Roglic am Sonntag nach der Ankunft auf dem Grand Colombier den Wind aus den Segeln zu nehmen. «Von meiner Seite gibt es nichts zu verbergen. Man kann mir auf jeden Fall vertrauen», sagte er und verwies auf zwei Dopingkontrollen am selben Tag.