Stefan Küngs Formstand vor den wichtigsten Frühjahresklassikern ist gut. Der 29-Jährige vom Team Groupama-FDJ hofft, bei der Flandern-Rundfahrt am Sonntag und eine Woche später bei Paris-Roubaix an seine Vorjahresleistungen anknüpfen zu können.
Stefan Küng, 2022 wurden Sie in Flandern Fünfter und danach in Roubaix gar Dritter. Was lässt Sie auf einen ähnlichen Coup in diesem Jahr hoffen?
Die Konstanz im letzten Frühling war ein klarer Schritt vorwärts. Es gibt einem Selbstvertrauen, wenn du weisst: Wenn es dir in einem harten Rennen weh tut, ist dies bei den anderen Fahrern mindestens ebenso. Man weiss nun aus eigener Erfahrung, was möglich ist. Deshalb sind die Ansprüche gestiegen.
Beim E3 Classic Harelbeke klassierten sie sich auf Platz 6. Aber als Wout van Aert, Mathieu van der Poel und Tadej Pogacar schon weit vor dem Ziel angriffen, konnten Sie nicht folgen.
Ich war nicht ideal positioniert und bekam das gar nicht mit. Schwierig zu sagen, ob ich hätte mitfahren können. Danach war ich Teil der ersten Verfolgergruppe.
In einer solchen befanden Sie sich auch am Mittwoch bei Quer durch Flandern. Als 23. kamen Sie zeitgleich mit dem Zweitklassierten ins Ziel. Zuvor bei Gent-Wevelgem lief es Ihnen aber gar nicht, obwohl Sie mit nassen, kalten Bedingungen sonst gut zurechtkommen.
Ja, es sagt mir normalerweise zu, wenn es von A bis Z hart ist. Ich komme mit solchen Konditionen oftmals besser zurecht als andere Fahrer. Dieses Mal war es nicht so.
Was war los?
Ich hatte schon früh ein taubes Gefühl in den Händen und Füssen. Nach 120 Kilometern ging ich Handschuhe und Kleider wechseln. Zu diesem Zeitpunkt konnte ich kaum mehr richtig schalten. Bei der elektronischen Schaltung musst du eigentlich nur einen kleinen Knopf drücken, aber ich fand diesen gar nicht. Meine Finger waren so taub, dass nichts mehr funktionierte.
Warum gaben Sie das Rennen nicht auf?
Auch wenn du aufgibst, irgendwie musst du ja trotzdem ins Ziel kommen. Wenn du ins Begleitauto steigst, weisst du nicht, ob deine Kleider auch gleich da sind. Du bist aber komplett nass, da wäre dann die Gefahr, dass du krank wirst, eher grösser. Zudem waren in meiner Gruppe noch ein paar Teamkollegen. Bis ins Ziel zu fahren war wohl der schnellste Weg zu einer warmen Dusche.
Ein paar wenige Fahrer drücken dem Radsport derzeit den Stempel auf. Welche Taktik gilt es für Sie zu wählen, um bei Pogacar, Van Aert und Van der Poel bleiben zu können?
Bei der Flandern-Rundfahrt gibt es keine Geheimnisse. Diese ist ein sehr physisches Rennen, ein Abnützungskampf, da machen eigentlich immer die stärksten Fahrer den Sieg unter sich aus. Wenn man Harelbeke nimmt: Die genannten Fahrer sind die dominierenden Figuren des Radsports. Diese zu bezwingen, ist brutal schwierig. Aber in der Vergangenheit gab es das auch, da hiessen diese Fahrer halt einfach Fabian Cancellara und Tom Boonen.
Das heisst, Sie glauben trotzdem an Ihre Chance?
Es gibt viele Athleten – auch in anderen Sportarten – , die können ein Lied davon singen, wie es ist, gegen die absolut dominierenden Fahrer ihrer Zeit zu fahren. Ich schaue zum Beispiel oft Skirennen. Da siehst du im 2. Lauf die Besten, und es heisst, wie nahe alle beieinander sind. Doch dann kommt am Schluss Marco Odermatt und nimmt allen zwei Sekunden ab. Dann stehen die anderen Fahrer wie Schulbuben da. Da kannst du dann nur anerkennend nicken und gratulieren. Als Sportler musst du es akzeptieren können, wenn jemand stärker ist.