Kleiner Schlenker, grosse Auswirkungen: Weil Julian Alaphilippe im letztjährigen Schlusssprint der Lüttich-Bastogne-Lüttich kurz nach links zog, verlor Marc Hirschi die Balance und rutschte vom Pedal. Wenngleich Alaphilippe von der Jury auf Rang 5 strafversetzt wurde, verpasste der Berner den wahrscheinlichen Sieg. Nachtragend will Hirschi nicht sein: «Ich bin davon überzeugt, dass er das nicht absichtlich gemacht hat.»
Und sowieso überwog «nach einer grossartigen Saison» das Positive. Was nicht heisst, dass der 22-Jährige keine Revanchegelüste hegt. Was für ihn spricht: das Team. Bei seinem neuen Arbeitgeber, dem UAE Team Emirates, kann er auf die Unterstützung von Shootingstar Tadej Pogacar oder Edelhelfer wie Rui Costa zählen. Die Strategie auf den knapp 260 Kilometern: «Wir wollen mit mehrereren Fahrern im Finale vorne dabei sein, dann ist taktisch vieles möglich.»
Auf einen klaren Leader wird nicht gesetzt, auch nicht, wenn man mit Pogacar den Triumphator der Tour de France in seinen Reihen weiss. «Wir sind verschiedene Fahrertypen. In den Rennen, in denen ich meine Qualitäten habe, bekomme ich auch meine Freiheiten», erklärt Hirschi. Und in dem von leichten Aufstiegen geprägten ältesten aller Radsportmonumente hat der Puncher zweifellos seine Stärken.
Beim Team, das mit seinem Sitz in Lugano auch schweizerischen Einfluss hat, habe er sich sofort wohlgefühlt. Hirschis überraschender und später Abgang von Sunweb hatte im letzten Jahr für Wirbel gesorgt. Über die Gründe wurde Stillschweigen vereinbart. Beim UAE Team Emirates habe ihn aber die ausgezeichnete Arbeit mit Nachwuchsfahrern überzeugt.
Doch es gibt auch Fragezeichen bei Hirschi. Die Überprüfung des Formstands unter Wettbewerbsbedingungen fiel am Mittwoch ins Wasser. Wegen zwei positiven Corona-Tests im Team wurde die Equipe für die Flèche Wallonne gesperrt. Es sei natürlich schade, dass er als Vorjahressieger nicht beim Halbklassiker habe antreten könne. Immerhin bot sich ihm so die Möglichkeit, schon einmal die Strecke vom Sonntag abzufahren.
Zudem sieht sich Hirschi selbst als Spätzünder. Dass im Vorjahr sowohl die Flèche als auch Lüttich-Bastogne-Lüttich wegen der Corona-Pandemie in den Herbst verschoben wurden, kam dem Ittiger entgegen.
Allen Widrigkeiten zum Trotz ist Hirschi sicher, bei «La Doyenne» um den Sieg mitreden zu können. Sein Podesttipp: Neben Alaphilippe und Thomas Pidcock schafft es auch ein Fahrer aus dem UAE Team aufs Treppchen. Am liebsten natürlich Hirschi selbst, und dann gleich ganz oben. So gäbe es definitiv keinen Grund mehr, um nachtragend zu sein.