Im Radsport wird fleissig getüftelt. Puls-, Watt- und GPS-Messgeräte gehören längst zum Alltag. In den letzten Jahren aber kamen kontinuierlich neue Technologien auf den Markt, die Athleten fast schon gläsern machen: Sensoren zur Schweissanalyse und Körpertemperatur oder die Regulation des Reifendrucks in Echtzeit etwa.
Letztere werden in der World Tour auch bereits genutzt. Die Teams Picnic PostNL und Visma-Lease a Bike setzen sie bei Rennen wie Paris-Roubaix ein. Besonders bei variierendem Untergrund können die Fahrer so den Rollwiderstand optimieren, indem sie den Reifendruck live regulieren. Es setzt sich aber nicht alles durch: Die Glukosemessung ist beispielsweise gescheitert, der Weltverband UCI verbietet es.
Evidenzbasiertes Schaffen
Etabliert sind die Neuerfindungen noch lange nicht, weiss Matthias Schlüssel, Sportwissenschafter bei Swiss Cycling: «Wir vertreten die Philosophie, evidenzbasiert zu arbeiten. Das heisst, wir setzen Messmethoden ein, die wissenschaftlich fundiert sind.»
Die neuen Sensoren erfüllen dieses Kriterium oft nicht. Also setzt Swiss Cycling auf bewährte Methoden. Im Fokus steht etwa der Powermeter: eine Kurbel, welche die Leistung der Fahrer misst. Diese Messung ist die Basis für das Training und um Fortschritte festzustellen.
Mit dieser Wichtigkeit im Blick investieren Leistungsdiagnostiker in die Optimierung des Powermeters. Das Gerät ist gut, aber es ist auch unpräzise. Denn jede Messung unterliegt einem Fehler. «Es kamen verunsicherte Athleten zu uns mit dem Gefühl, nicht mehr ihre Leistungen zu erbringen», erklärt Beat Müller vom Bundesamt für Sport (Baspo). «Dann kalibrierten wir den Powermeter mit unserem Verfahren und stellten fest, dass er zu tief misst.»
Test gibt Sicherheit
Das Verfahren entwickelte das Baspo in Magglingen vor zehn Jahren selbst. Es deckt Messfehler auf, die gross genug sind, um Fortschritte des Fahrers zu verbergen, die im tiefen Prozentbereich liegen. Für die Kalibrierung fährt der Athlet auf seinem Velo und die zu erbringende Leistung wird genau gesteuert. Danach vergleicht man diesen Wert mit den Angaben des Powermeters.
Auch U19-Nachwuchsathletin Anja Grossmann macht den Test. Sie hat Glück, ihr Powermeter stimmt. Das gibt ihr Sicherheit: «Jetzt weiss ich im Training, dass meine Wattwerte genau sind und ich genau so noch einmal trainieren kann.»
Ein kritischer Blick lohnt sich
Erst, wenn diese Sicherheit nachgewiesen werden kann, arbeitet Swiss Cycling mit einer neuen Messmethode. Und davon wird es noch genug geben: Es kommen immer mehr Möglichkeiten auf, um Daten zu erheben. Ein Trend, der sich längerfristig fortsetzen wird.
Funktioniert eine Technologie zuverlässig und präzise, kann sie sich auch etablieren. Das Reifendruck-Regulationssystem ist laut Matthias Schlüssel auf gutem Weg dazu. Aber er erinnert auch daran, kritisch zu sein: «Das Ziel ist nicht, je mehr Daten, desto besser. Die Kunst ist, dass man Daten reflektieren, verstehen und am Schluss Massnahmen ableiten kann auf Grundlage besserer Daten.»