Die Erwartungen vor den kontinentalen Titelkämpfen im Foro Italico waren bei Swiss Aquatics hoch. Diese EM war – noch vor den Weltmeisterschaften im Juni in Budapest – von Verbandsseite als der absolute Saisonhöhepunkt definiert worden. «Wir hatten das Potenzial für 9 oder sehr optimistisch gesehen gar 10 Medaillen», sagt Markus Buck, Chef Leistungssport Schwimmen bei Swiss Aquatics.
Und dann passierte das: Nach 3 Wettkampftagen in der «ewigen Stadt» stand die Schweiz ohne Medaille da. Stattdessen mit 4. Plätzen – durch Roman Mityukov über 200 m Rücken und dies nach Bestzeit aller Schwimmer in den Halbfinals und vor allem auch durch die Paradestaffel 4x200 m Freistil. Gerade diese verpasste Medaille schmerzte besonders, was den Aussagen der 4 Schwimmer unmittelbar nach dem Wettkampf klar anzuhören war.
Starke Reaktion nach Fehlstart
Denn die Zeiten, in welchen man sich alleine über Finalteilnahmen gefreut hat, sind bei den Schweizer Spitzenschwimmern definitiv vorbei. «Dass man sich so extrem geärgert hat, das spricht für die Niveau-Steigerung, welche die ganze Mannschaft hingelegt hat. Es wäre wirklich mehr möglich gewesen. Aber der Ärger stachelt eben auch an», so Leistungssportchef Buck.
Tatsächlich fiel die Reaktion auf den «Fehlstart» in den Folgetagen eindrücklich aus. Noè Ponti brach schliesslich am Sonntag als 2. über 100 m Schmetterling den Medaillenbann. Nur 24 Stunden später folgten in Rom die nächsten Schweizer Höhepunkte. Zuerst schwamm Freistil-Spezialist Antonio Djakovic zu Silber, keine 10 Minuten später gelang der Brustschwimmerin Lisa Mamié der Gold-Coup über 200 m. Mit abermals Silber, dieses Mal über 400 statt 200 m Freistil, sorgte der Thurgauer Djakovic für den stimmigen Abschluss der 36. – und aus Schweizer Sicht allerbesten – Europameisterschaften seit 1926.
In der Weltspitze angekommen
«Die Generation um Ponti, Djakovic und Mamié ist äusserst talentiert. Das gibt es nicht alle Tage», erklärt SRF-Schwimm-Experte Tobias Gross die erfolgreichen Titelkämpfe. Dass dahinter auch noch eine zweite Garde in verschiedenen Disziplinen um Medaillen mitschwimmen kann, sei schon aussergewöhnlich.
Tatsächlich fehlte in Rom wenig zu weiteren Top-3-Platzierungen: Mityukov – nun auch noch über 100 m Rücken – und Desplanches über 200 m Lagen klassierten sich jeweils auf dem 4. Rang. Hinzu kamen an den Tagen zuvor Ehrenplätze durch Ponti (5. über 200 m Schmetterling) und Maria Ugolkova (6. über 200 m Lagen).
Zwei Weltmeisterschaften und eine EM vor Olympia
Vor allem der Blick auf die Olympischen Spiele in Paris 2024 stimmt zuversichtlich. Denn abgesehen von Desplanches und Ugolkova ist keiner der Schweizer Top-Schwimmer über 23 Jahre alt. Zumindest auf dem Papier besteht demnach bei allen noch Entwicklungspotenzial.
In Tokio hatte die Schweiz ihre Ausbeute an olympischen Schwimm-Medaillen bereits verdoppelt, in Paris könnten es durchaus noch mehr werden. Ehe im Mai 2024 in der Vorbereitung auf Olympia die nächste EM folgt, figurieren im internationalen Wettkampfkalender davor 2 Weltmeisterschaften im 50-m-Becken: zunächst im Juli 2023 im japanischen Fukuoka, danach im Februar 2024 in der katarischen Hauptstadt Doha.