Es ist unglaublich viel Zeit vergangen, seit 1893 Fuhrer Simon vom Hasliberg und Dubach Karl aus Diemtigen das Schwingfest auf der Passhöhe beim Brünig gewannen. Zweifellos ahnten die beiden Berner Oberländer nicht, welch lange Liste von Siegern dieses Sportanlasses sie dereinst anführen würden. Oder anders gesagt: Es war im vorletzten Jahrhundert wohl nicht vorhersehbar, wie alt dieser Anlass werden würde.
Ein Traditionsanlass, der selten ausfiel
125 Jahre später gibt es den Brünigschwinget immer noch. Was so alt wird, muss gut sein, sonst wäre es längst verschwunden. Wie zum Beispiel der Watkins Tower in London, mit dessen Bau ebenfalls 1893 begonnen wurde. Er hätte mit einer Höhe von 350 Metern das höchste Gebäude der Welt werden sollen, wurde aber nie fertig gestellt und sein Fundament 1907 wieder abgerissen.
In dem Jahr fand auf dem Brünig kein Schwingfest statt. Es wurde wegen der grassierenden Maul- und Klauenseuche abgesagt. Aus verschiedenen Gründen fand das eine oder andere Mal seit der ersten Austragung vor 125 Jahren kein Brünig Schwinget statt, aber es waren jedes Mal momentane Ereignisse, die eine Durchführung verhinderten. Nie stand zur Diskussion, dass dem Kräftemessen auf der Wasserscheide zwischen Bern und Obwalden das Ende und damit das gleiche Schicksal blühen würde, wie dem Watkins Tower.
Ganz im Gegenteil. Der Brünig entwickelte sich zum Festort mit Kultcharakter und wurde quasi zum Dieselmotor der Schwingerwelt. Zu einem Anlass, der läuft und läuft und läuft.
So alt wie Dieselmotor, Popcornmaschine und Reissverschluss
Der Dieselmotor wurde übrigens 1893 erstmals zum Laufen gebracht. Genauso wie die Popcornmaschine. Auch sie ist mittlerweile 125-jährig, hat sich allerdings auf dem Brünig nie durchgesetzt. Dort wird frühmorgens das Cheli serviert, und auf dem ganzen Festplatz verbreitet sich der typische Duft des mit ordentlich Schnaps verdünnten Kaffees.
Mittags wird der Spatz (ein Eintopf aus Kartoffeln, Gemüse und Fleisch) serviert, für den der Brünig fast genau so bekannt ist, wie für den Wert des Kranzes, den jeder auf dem Brünig gewinnen will.
Katholiken und Protestanten im Sägemehl
Die Sägemehlathleten aus Bern und aus der Innerschweiz sind immer mit dabei. Das hatte in den frühen Austragungen durchaus auch regionalpolitische Bedeutung, denn die katholische Innerschweiz und das protestantische Bern waren sich weltanschaulich weitgehend uneinig.
Vielleicht hat der Schwingsport sogar dazu beigetragen, Feindbilder abzubauen, indem sich die Berner und die Innerschweizer im Grenzgebiet zu einem gemeinsamen Fest begegnet sind. Und wie bei einem Reissverschluss schloss sich von beiden Seiten des Brünigs her die Differenz.
Sie ahnen es. Der Reissverschluss wurde 1893 patentiert. Das ist lange her. Und was den ganzen Zeitraum seither überlebt hat, muss eine richtig gute Sache sein.
Sendebezug: Livestream auf srf.ch/sport, 21.7.2018, 08:35 Uhr