Noch eine Saison, dann ist genug. Am Tag seines 38. Geburtstags hat Christian Stucki am Dienstag seinen Rücktritt angekündigt. Gegenüber SRF Sport erklärt der Schwingerkönig, welche Reaktionen er erhalten hat, warum er noch eine Saison anhängt und wie er beim Publikum in Erinnerung bleiben will.
SRF Sport: Ihre Karriere endet nach der kommenden Saison. Warum haben Sie sich zu diesem Schritt entschieden?
Christian Stucki: Da gibt es mehrere Gründe: Einerseits ist da das Alter, andererseits ist da der Körper, der nicht mehr so mitmacht, wie ich es gerne hätte. Verschiedene Beschwerden wie jene an der Schulter oder am Rücken werden im Alter nicht besser. Darum habe ich mich dazu entschieden, dieses Jahr einen Schlussstrich zu ziehen.
Gab es einen bestimmten Auslöser, der Sie zu diesem Entscheid geführt hat?
Diesen einen Moment gab es nicht, es ist einfach alles zusammengekommen. Letztes Jahr ist der Gedanke schon das eine oder andere Mal aufgetaucht, das erste Mal wegen der Verletzung an der Schulter. Als dann 14 Tage vor dem ESAF der Rücken dazukam, war ich zwei- bis dreimal kurz davor, den Bettel hinzuschmeissen. Der Entscheid ist über den Winter gereift. Letztlich war es eine Abwägung, ob ich das meinem Körper noch zumuten will.
Die Kommentare unter meinem Beitrag waren Balsam für die Seele.
Sie verkündeten Ihren Rücktritt via Instagram. Gab es Reaktionen, die Ihnen besonders Freude bereitet haben?
Es gab viele schöne Kommentare. Sätze wie «es wird nicht mehr dasselbe sein, wenn du nicht mehr dabei bist» sind natürlich Balsam für die Seele. Meine schöne und lange Karriere verdanke ich auch den Zuschauern.
Eine Saison hängen Sie noch an. Wieso?
Dieses Jahr findet in Lyss – also in meiner Wohngemeinde – das Seeländische Schwingfest statt. 2006 und 2019, als das Fest auch schon in Lyss war, habe ich es jeweils wegen Verletzungen verpasst. Dieses Jahr ist quasi meine letzte Ölung und ich hoffe, dass ich dort dabei sein kann. Das war sicher der Hauptauslöser, dass ich noch weiterschwinge.
Wie geht es Ihnen im Moment körperlich? Trainieren Sie schon wieder?
Im Fitnessbereich bin ich wieder im Training, mit Schwingen will ich kommende Woche wieder beginnen. Ansonsten geht es mir körperlich nicht so schlecht, im Rücken spüre ich praktisch nichts mehr. Die Sehne an der Schulter ist immer noch gerissen, da muss ich halt auf die Zähne beissen.
Mir wurde zu Jungschwinger-Zeiten prophezeit, dass aus mir etwas werden könnte.
Ihr Palmarès ist mit 43 Kranzfestsiegen und 133 Kränzen eindrücklich. Was hätten Sie gesagt, wenn Ihnen dies am Anfang Ihrer Karriere vorausgesagt worden wäre?
Da hätte ich wahrscheinlich die Augen verdreht. Ich hätte mir nie erträumt, so einen Werdegang zu haben. Zu Jungschwinger-Zeiten wurde zwar von vielen prophezeit, dass aus mir etwas werden könnte, wenn ich dranbleibe. Eine Zeit lang war ich ja auch nicht der Fleissigste im Training.
2019 krönten Sie sich in Zug zum Schwingerkönig. Wie präsent ist Ihre Erinnerung daran noch?
Momentan wieder sehr präsent, weil seit der Rücktrittsverkündung wieder Videos davon auftauchen. Es ist – nebst meiner Familie – natürlich mein grösster Erfolg und es ist immer schön, mich daran zu erinnern.
Trotz vielen Verletzungen haben Sie vergangenes Jahr in Pratteln Ihren 7. eidgenössischen Kranz geholt. Wie stolz sind Sie auf diese Leistung?
In der Vorbereitung konnte ich kaum trainieren und kein Schwingfest bestreiten. Körperlich und mental war ich nicht auf dem höchsten Level. Dass ich an diesen zwei Tagen trotzdem reüssieren konnte, macht mich extrem stolz.
Der «Stucki Chrigu», der Bodenständige, der Gemütliche und der «Gäbige», der immer für einen Schwatz zu haben ist.
Gibt es für die Saison 2023 schon einen konkreten Comeback-Plan?
Nein, das steht noch in den Sternen. Ich weiss nicht, ob ich zwei oder fünf Schwingfeste bestreiten werde. Die Kommunikation dazu wird wohl auch relativ spontan vonstatten gehen.
Wie gehen Sie die letzten Wettkämpfe an?
Einerseits will ich Vollgas geben, andererseits will ich es auch geniessen. Ich hoffe, ich bringe das emotional irgendwie unter den Hut. Mit dem Gedanken im Hinterkopf, dass es das letzte Mal im Sägemehl sein könnte, wird das keine einfache Aufgabe.
Wie möchten Sie als Schwinger bei den Leuten in Erinnerung bleiben?
Als jener Schwinger, den sie auch jetzt im Kopf haben.
Der da wäre?
Der «Stucki Chrigu», der Bodenständige, der Gemütliche und der «Gäbige», der immer für einen Schwatz zu haben ist.
Am 27. August steigt der Unspunnen-Schwinget. Wäre das ein guter Zeitpunkt für einen Schlusspunkt?
Das weiss ich noch nicht. Das hängt davon ab, wie die Vorbereitung und die ganze Saison laufen. Am Unspunnen-Schwinget nehmen die Besten der Besten teil. Wenn ich da nur mit 80 Prozent antreten kann, wird es sicher schwierig dort. Weil es keine Kränze gibt, zählt nur der Gewinner und alles andere scheint etwas nebensächlich. Vielleicht bin ich dabei, vielleicht aber auch nicht.