Er war im vergangenen Jahr von McLaren als «der neue Hamilton» angekündigt worden, und ich gebe zu, ich lächelte damals und dachte: «Abwarten». In Melbourne war ich verblüfft: 4. Platz im Qualifying, genau wie Lewis Hamilton bei seinem Einstand vor 7 Jahren. Nur mit dem Unterschied, dass Hamilton hinter Fernando Alonso nur zweitbester McLaren-Pilot gewesen war. Kevin Magnussen aber schlug seinen Teamkollegen Jenson Button, und das erst noch im Regen.
Der Däne bescherte McLaren die beste Startposition seit rund anderthalb Jahren, denn seit der Frontreihe Hamilton/Button in Sao Paulo 2012 war kein Auto des Traditionsstalls mehr aus den ersten zwei Startreihen losgefahren.
Erster Podestfahrer für Dänemark
Im Rennen blieb der Formel-Renault-Meister nach der ersten Kurve fehlerfrei, dank Hamiltons Ausfall gelang der Sprung aufs Podest. Es hätte aber auch ganz anders kommen können, denn beim Start schlidderte Magnussen knapp an Alonso vorbei in Richtung Mauer, doch er konnte das Auto gerade noch vor dem Wiesenbord auffangen.
So feierte Dänemark seinen ersten Podestfahrer in der Formel 1, McLaren seinen ersten Podestplatz nach einer Durststrecke von mehr als einem Jahr, und Magnussen verspritzte Champagner als erster Rookie seit Hamilton 2007. Nur steht Magnussen ein Treppchen weiter oben als damals Hamilton. McLaren hat nicht zu viel versprochen.
Man of the Race - Valtteri Bottas
Während der Live-Übertragung hatte ich den Titel in Gedanken schon an Button vergeben, so sehr gefiel seine Aufholjagd von 10 auf 4. Eine bravouröse Leistung, Highlight war sein Last-Second-Schlenker in die Boxengasse, als der Safety Car losgeschickt wurde. Dank der blitzschnellen Reaktion stiess Button auf Rang 6 vor. Gutes Timing beim 2. Stopp trug ihm Schlussrang 4 ein. Nach der Disqualifikation von Daniel Ricciardo erbte er Rang 3.
Aber Valtteri Bottas, bisher vor allem der «andere Finne» in der Formel 1, war besser und spektakulärer. Mit seinem Raketenstart von P15 aus katapultierte er sich auf die Höhe des Teamkollegen Felipe Massa (Startplatz 9). Kamui Kobayashi (der übrigens neben Bottas gestartet war) beförderte aber Massa aus dem Rennen, Bottas hatte freie Bahn.
Der Finne schnappte sich beide Toro Rosso, und dann, als besonderen Leckerbissen, Kimi Räikkönen. Der Ex-Weltmeister und 2-fache Australien-Sieger war lange Zeit ein übermächtiger Schatten, in dem Bottas bislang ein Mauerblümchendasein gefristet hatte. Nach 8 Runden war Bottas Sechster.
Zwei prächtige Feuerwerke des «zweiten Finnen»
Auf der Jagd nach Alonso touchierte er die Mauer und musste mit Reifenschaden an die Box. Bottas' Glück war, dass Reifen und Felgen so weit verstreut auf der Strecke lagen, dass der Safety Car zum Einsatz kommen musste: Er konnte sich hinten am Feld anschliessen und nach dem Neustart ein zweites, noch prächtigeres Feuerwerk zünden.
Vom 16. Platz aus stürmte Bottas innert 20 Runden auf Rang 4. Als letzten überholte er wieder Räikkönen. In Runde 36 stoppten die beiden Finnen zum letzten Mal. Bottas wurde Fünfter, das ist seine Bestleistung. Räikkönen war als Siebter zweitbester Finne und zweitbester Ferrari-Fahrer.
Sauber – wenigstens im Ziel
Esteban Gutierrez hatte mir vor dem Rennen gestanden: «Seltsam, eigentlich möchte ich ein Rennen fahren, doch ich werde sehr vorsichtig ans Werk gehen müssen, denn das Hauptziel ist es, ins Ziel zu kommen.» Trotz aller Vorsicht war der Sauber-Mexikaner schon in Kurve 3 in einen Unfall verwickelt und musste an der Box einen neuen Frontflügel abholen. Sonst aber gab es keine Zwischenfälle und die Schlussränge 11 und 12.
Das Auto ist zwar relativ zuverlässig, aber viel zu langsam. Das liegt aber nicht am Chassis, sondern vor allem am Antriebsstrang, wie von den Team-Verantwortlichen zu hören ist. Ferrari muss nachrüsten, und zwar schnell. Mercedes liefert deutlich bessere Antriebe, auch Renault ist aufgerückt.
Aufgrund der mangelnden Performance ist es nach dem Australien-GP kaum möglich, die Leistungen der Fahrer schlüssig zu beurteilen. Dasselbe gilt für die «neue Formel 1». Zu viele Unsicherheiten gab es noch in Melbourne. Die Piloten waren meist darauf bedacht, heil ins Ziel zu kommen. Deshalb war die zweite Hälfte des Australien-GPs auch kein grosses Spektakel. Das wird sich aber bestimmt ändern, sobald die Teams die neue Technik in den Griff bekommen.