Bernhard Russi, die Selektionskriterien sind aufgrund der schlechten Saison stark gelockert worden. Wie beurteilen Sie den Entscheid?
Russi: Ich finde es richtig, dass wir mit einer grossen Mannschaft antreten. Zum einen, weil eine WM eigene Gesetze hat. Zum anderen kann man relativ einfach Weltcup-Startlisten-Punkte ergattern, die Auswirkungen auf die Startliste haben. Vor allem geht es aber um die Quotenplätze. Wenn wir die nicht beanspruchen, kommen sie anderen zugute. Es ist ein Verteidigungsprinzip.
Auffallend ist, dass in den technischen Disziplinen Junge nominiert wurden - nicht so im Speed-Bereich.
Ich kann mir vorstellen, dass man Respekt davor hat, dass man einen jungen Fahrer auf einer Abfahrt «verheizt». Aber Nils Mani und Ralph Weber waren in Bormio am Start, daher hätte ich erwartet, dass man etwa diese beiden auch mitnimmt.
Angesichts der bisherigen Saison wäre eine WM-Medaille der Schweizer Männer beinahe eine Sensation.
Sollte Didier Défago eine Medaille holen, wäre es eine Überraschung, nicht aber eine Sensation. Es war eher sensationell, dass er damals am Lauberhorn sowie in Kitzbühel gewonnen und Olympia-Gold geholt hat. Das schaffte er alles quasi aus dem Nichts. Ich bin also trotz allem zuversichtlich. Doch angesichts der bisherigen Resultate wäre eine Medaille eine Überraschung.
Den einzigen Podestplatz fuhr Carlo Janka in der Super-Kombi von Wengen ein. Kommt Schweizer Edelmetall hier am ehesten in Frage?
In dieser Disziplin kann man am ehesten über sich hinauswachsen und auf Fehler der anderen hoffen.
Die ganze Saison über wartete die Schweiz auf einen Exploit, der nicht kam.
In Riesenslalom und Slalom erwarte ich keine Medaille. Aber in Abfahrt, Super-G und Super-Kombi kann immer alles passieren. In der Abfahrt ist entscheidend, welche Startnummer man hat, wie sich Piste und Wetter entwickeln. Eine Wolke kann einen Unterschied von 1 bis 2 Sekunden ausmachen. Dazu kommt, dass die Schweizer keinen Erwartungsdruck mehr spüren.