«Die Mär, dass die Schweiz eine Ski-Nation sei, ist ausgeräumt», schrieb die Neue Luzerner Zeitung im Febraur 2005. Die Ski-WM in Bormio und Santa Caterina war gerade zum Debakel historischen Ausmasses geworden.
18 Jahre war es damals her, seit die Schweiz an der Heim-WM in Crans-Montana 14 Medaillen gewonnen hatte. Diesmal nichts. Null. Keine Medaille. Und daraus wurde geradewegs die grosse Ski-Krise.
Eine Blamage mit Ankündigung
Schon den ganzen Winter über lief es bei den Männern schlecht und bei den Frauen noch schlechter. Zu den WM-Frauenrennen in Santa Caterina entsandte die Schweiz eine Minidelegation von fünf Athletinnen, mehr hatten die Selektionsrichtlinien nicht erfüllt. Und die Selektionierten reisten gedemütigt an, denn kurz vor der WM hatte der «Blick» auf seiner Frontseite die Schweizer Skifahrerinnen wegen ihrer Resultate im Weltcup als Zwerge abgebildet.
Und es ist dem Absturz von 2005 zu verdanken, dass ein solcher am Wochenende nicht mehr zu befürchten ist.
Sonja Nef äusserte damals Bedenken, ob unter solchen Umständen junge Menschen in der Schweiz überhaupt noch Ski fahren wollten. Eine berechtigte Sorge, zumal dem Nachwuchs in jener Zeit wesentliche Strukturen fehlten, die heute beim Aufstieg zum Skiprofi helfen.
Krise als Weckruf
Noch während der WM-Rennen von Bormio und Santa Caterina verwies Gian Gilli, Leistungssportchef von Swiss-Ski, eindringlich auf das wenig sportfreundliche Ausbildungssystem in der Schweiz: «Unsere Kinder und Jugendlichen haben frei, wenn es draussen dunkel ist!» Im Dunkeln wird niemand zum schnellen Skiprofi, das ist allen klar.
Aber es brauchte die Ski-Krise, um der Erkenntnis zum Durchbruch zu verhelfen, dass man nicht automatisch Weltmeister(in) wird, nur weil man in den Bergen aufwächst. So nahmen entscheidende Projekte Fahrt auf.
Im Sommer 2005 wurden die drei nationalen Leistungszentren eröffnet, ergänzen seither regionale Leistungszentren zu einer spitzensportorientierten Förderstruktur, und im Umfeld von all diesen Zentren entstanden ganze Netzwerke von sportfreundlichen Schulen und Lehrbetrieben.
Professionalisierung auf allen Ebenen
Auf einmal standen Ausbildung und Skisport nicht mehr gegeneinander, sondern miteinander im Leben eines jungen Skitalents. Zugleich wurden Trainerbildung und Fördersysteme weiter professionalisiert und die Armee baute ihr Angebot für Spitzensportler (ab 2006 auch für Spitzensportlerinnen) weiter aus.
So pflügte letztlich die Ski-Krise bestehende Strukturen um, und eine neue Generation konnte unter verbesserten Bedingungen gedeihen. Vertreter dieser neuen Generation stehen nun in Santa Caterina am Start. Und es ist dem Absturz von 2005 zu verdanken, dass ein solcher am Wochenende nicht mehr zu befürchten ist.