Dass Mikaela Shiffrin keine gewöhnliche Skifahrerin ist, hat sich früh abgezeichnet. Bereits in ihrem 8. Weltcup-Einsatz und im zarten Alter von 16 Jahren schaffte sie im Dezember 2011 in Lienz als 3. den Sprung auf das Podest. Ein Jahr später stand Shiffrin in Are das erste Mal zuoberst auf dem Treppchen.
10 Jahre und 81 weitere Triumphe später steht sie auf gleicher Stufe wie Landsfrau Lindsey Vonn – zumindest auf den ersten Blick. «Man kann eigentlich keine Vergleiche ziehen. Klar, Vonn hat gleich viele Siege, aber Shiffrin ist erst 27 Jahre alt und es geht noch weiter», ordnet SRF-Expertin Tina Weirather den Erfolg ihrer ehemaligen Konkurrentin ein. Tatsächlich war Vonn bei ihrem 82. Sieg schon 33 Jahre alt und beendete ihre Karriere ein Jahr darauf.
Davon ist Shiffrin noch weit entfernt. Tränen der Erleichterung flossen bei der Ausnahmekönnerin im Ziel über die Wangen. Sie habe versucht, nicht an den Rekord zu denken und sich einfach auf das Skifahren zu konzentrieren. «Das ist aber nicht einfach, wenn ständig alle Leute danach fragen.» Klar sei der Rekord «eine wichtige Sache, aber nicht ihr primäres Ziel» gewesen.
Obwohl Shiffrin ihrer Konkurrenz derzeit um die Ohren fährt, ist ihre Karriere auch durchzogen von Selbstzweifeln. Ihr über viele Siege aufgebautes Selbstbewusstsein war phasenweise verschwunden. So wie bei Olympia in Peking, als die Amerikanerin in ihren Paradedisziplinen Slalom und Riesenslalom ausschied. Über Niederlagen grübelte sie oft lange. Doch irgendwie gelang es Shiffrin immer, sich aus Tiefs zu befreien. Auch aus dem mentalen, nachdem ihr Vater Jeff 2020 gestorben war.
Stenmark rückt in Griffweite
Shiffrins Wunsch, nicht mehr über Rekorde zu sprechen, wird sich aber so schnell nicht erfüllen. Nur noch 4 Siege fehlen ihr auf die Allzeit-Bestmarke von Ingemar Stenmark. «Falls ich diese Zahl erreichen sollte, hoffe ich, keine Erleichterung zu verspüren. Es wäre schade, wenn es sich dann anfühlt, als ob alles vorbei wäre.» Was auch immer in ihrer Karriere noch folgen soll, möchte sie geniessen können. «Dieses Gefühl möchte ich nicht mit einer Jagd nach einem Rekord, der eigentlich eh nicht gebrochen werden soll, ruinieren.»
Fährt Shiffrin so weiter wie bisher, tritt dieses Szenario aber ohnehin ein. Beim Slalom in Flachau am Dienstag könnte sie Vonn schon hinter sich lassen. Danach folgen in St. Anton und Cortina d'Ampezzo zwei Abfahrten und drei Super-G – auch in diesen beiden Disziplinen hat die Alleskönnerin schon Rennen gewonnen.