Als Luc Alphand 1997 die legendäre Abfahrt auf der Streif für sich entschied, hätte wohl niemand aus dem französischen Fanlager voraussehen können, dass daraufhin eine jahrzehntelange Durststrecke folgen sollte. Lange, lange dauerte es, genau 27 Jahre, bis Cyprien Sarrazin urplötzlich zum ungeahnten Höhenflug ansetzen und der französischen Ski-Nation endlich wieder eine «goldene Gams» bescheren sollte.
Dominanz pur, aber keine Erklärungen
Doch Sarrazin, dessen Höhenflug zu Beginn dieser Saison so abrupt begonnen hatte wie wohl selten ein Höhenflug eines Skifahrers zuvor, schrieb gar noch weiter Geschichte. Der 29-Jährige doppelte am Samstag in der 2. Abfahrt nach. Es war eine Fahrt, die SRF-Experte Beat Feuz Tränen in die Augen trieb. Kein Hundertstelglück, keine Lotterie mit den Bedingungen – es war schlicht und einfach Dominanz, ein Traumlauf. Fast eine Sekunde holte er auf Marco Odermatt heraus, 1,44 Sekunden fehlten Dominik Paris auf Rang 3.
Es ist wirklich verrückt. Ich weiss nicht, was passiert ist.
Eine derartige Dominanz auf der schwierigsten Abfahrtsstrecke der Welt? Bei der erst 14. Abfahrt überhaupt in seiner Karriere? Auf der Suche nach Antworten scheint Sarrazin selbst etwas ratlos zu sein. «Es ist wirklich verrückt. Ich weiss nicht, was passiert ist», so Sarrazin. «Das Rennen war wirklich nahe an der Perfektion.»
Das Rezept zum (seltenen) Double
In den letzten Jahren hat Sarrazin zwar immer wieder Kostproben seines Könnens aufblitzen lassen. Doch mit seinem waghalsigen Stil landete er zu oft in den Fangnetzen, zu viel Risiko streute er in die Fahrten ein. Nun scheint er das Rezept gefunden zu haben, die Mischung zwischen Risikobereitschaft, Kontrolle, Geschwindigkeit und technischen Finessen stimmt.
So darf sich Sarrazin, keinen Monat nach seiner Abfahrts-Podestpremiere im Weltcup, zum exklusiven Zirkel der Kitzbühel-Doppelsieger zählen. Als zuvor Letzter von mittlerweile acht Fahrern wurde hier Feuz vor 3 Jahren die Ehre zuteil. Erster Doppelgewinner war Österreichs Ski-Legende Karl Schranz vor 51 Jahren.
Franzosen plötzlich schnell
Im Schatten von Sarrazins Erfolg geht beinahe ein weiterer spannender Fakt unter: Seine französischen Teamkollegen scheinen vom Höhenflug ihres Speed-Leaders zu profitieren. Mit Maxence Muzaton (5.), Blaise Giezendanner (mit Startnummer 36 auf Rang 7) und Nils Allegre (9.) zeigte sich auch die zweite Garde in bester Verfassung.