Der vierfache Weltcupsieger Marco Büchel ist mittlerweile als ZDF-Experte im Skizirkus unterwegs. Im Interview spricht der Liechtensteiner über Muskeln, Talente und Bartpflege.
SRF Sport: Marco Büchel, wie oft kommen Sie noch zum Skifahren?
Marco Büchel: Sehr wenig. Das heisst, ich bin selten auf der Piste unterwegs. Mein grosses Hobby sind Skitouren. Klassisch auf der Piste bin ich selten anzutreffen. Aber das Element Schnee fasziniert mich nach wie vor.
Würden Sie sich das Lauberhorn oder die Streif noch zutrauen?
Nie im Leben! Ich habe die Kraft dafür nicht mehr, es wäre viel zu gefährlich. Aber wenn, dann eher das Lauberhorn – als Tourist versteht sich. Wengen ist zwar die schwierigste Abfahrt, wenn es um den Sieg geht, aber wenn ich das Tempo selbst bestimmen kann, dann wäre es wohl noch machbar. Die Kondition sollte noch reichen. Kitzbühel ist zwar kürzer, aber viel gefährlicher. Da würde mir die Kraft ausgehen und ich würde wahrscheinlich in den Fangnetzen landen (lacht) .
Marco Odermatt ist unverbraucht und total hungrig.
Unser Experte Marc Berthod wird in Wengen gemeinsam mit Bruno Kernen die Kamerafahrt machen. Haben Sie noch einen Tipp?
Sie müssen schauen, dass sie sich nicht in die Quere kommen. Zu zweit ist das nicht so einfach, das muss sehr gut abgesprochen sein. Aber ich freue mich auf jeden Fall auf die Bilder!
Sie haben vorhin die Kraft angesprochen. Wie schnell ging diese nach dem Rücktritt bei Ihnen verloren?
Zwei bis drei Jahre konnte ich das Niveau halten. Ich habe weiter Krafttraining gemacht – warum, weiss ich eigentlich auch nicht (lacht) . Dann habe ich mit Ausdauersport angefangen: Alpin-Marathon, Bergläufe. Da ist die Muskelmasse dann schnell verloren gegangen. Ich habe rund 20 Kilogramm abgenommen.
Welche Athleten beeindrucken Sie momentan am meisten?
Ganz klar Marcel Hirscher und Henrik Kristoffersen. Was die beiden auf höchstem Niveau leisten, ist absolut beeindruckend. Daneben gefällt mir Manuel Feller. Er ist ein Rock’n’Roll-Typ mit einer «Alles oder Nichts»-Einstellung. Das führt zwar dazu, dass er oft ausscheidet, aber wenn er ins Ziel kommt, ist er pfeilschnell. Auch Marco Schwarz ist ein genialer Skifahrer. Erwähnen möchte ich auch Loïc Meillard und Marco Odermatt. Gerade Odermatt ist unverbraucht und total hungrig.
Sie haben die Unbeschwertheit angesprochen. Welchen Tipp können Sie einem jungen Fahrer mit auf den Weg geben, damit er diese möglichst lange behalten kann?
Man darf sich nicht verderben lassen. Es ist klar, die Aufmerksamkeit wird immer grösser werden. Dann beginnt ein Athlet, sich abzugrenzen. Das ist wichtig, weil man sich schützen muss. Aber man sollte einen gesunden Mittelweg finden. Auch ist es nie hilfreich, wenn man zu kalkulieren beginnt. Aber es ist klar: Das ist leichter gesagt als getan.
Im Schweizer Abfahrtsteam ist längst nicht alles rosig. Beat Feuz überdeckt vieles.
Die Schweizer haben gerade in den technischen Disziplinen enorme Fortschritte erzielt. Wie sehen Sie diese Entwicklung?
Es gibt bei jedem Team Wellenbewegungen. Mal hat man im Speed-Bereich Mühe, dann wieder in den technischen Disziplinen. Das ist auch bei den Schweizern nicht anders. Da wurde bereits vor ein paar Jahren tolle Aufbauarbeit geleistet. Dann kommt die Gruppendynamik hinzu: Yule, Aerni und Zenhäusern haben den Konkurrenzkampf angekurbelt, in ihrem Windschatten konnten sich andere Talente entwickeln. Diese Dynamik kann man nicht künstlich erzeugen. In dieser komfortablen Lage befindet sich längst nicht jedes Team.
Sprechen Sie ein Team konkret an?
Das deutsche Technik-Team zum Beispiel. Da fehlt diese Dynamik. Jeder Fahrer hat seine eigene Baustelle, es fehlt der Leader. Auch im Schweizer Abfahrtsteam ist längst nicht alles rosig. Beat Feuz überdeckt vieles. Aber so lange er so erfolgreich fährt, schaut man weniger genau hin.
Wie sieht es mit dem Nachwuchs in Liechtenstein aus?
Wir haben dieses Jahr Zuwachs erhalten. Ian, der Bruder von Lara Gut, startet mittlerweile für Liechtenstein. Er entwickelt sich sehr gut. Er wird zu 99 Prozent auch an der WM in Are dabei sein. Daneben betreue ich noch zwei weitere junge Läufer. Ich verliere die Hoffnung nicht, dass die Liechtenstein-Flagge bei den Herren bald wieder vertreten sein wird.
Das deutsche Publikum ist nicht so versiert im Skirennsport wie die Schweizer.
Sie sind mittlerweile als ZDF-Experte und Co-Kommentator im Weltcup unterwegs. Was ist dabei die grösste Herausforderung?
Dem Zuschauer schlüssig zu erklären, weshalb etwas passiert. Es ist nicht meine Aufgabe zu sagen, ob jemand schnell oder langsam ist. Dafür gibt es schliesslich die Zwischenzeiten. Ich muss erklären können, warum es so ist. Ich muss das auf Hochdeutsch tun, was für mich eigentlich eine Fremdsprache ist. Hinzu kommt: Es sollte leicht verständlich sein. Das deutsche Publikum ist nicht so versiert im Skirennsport wie die Schweizer. Dort darf man ein gewisses Verständnis voraussetzen.
Sie waren schon als Fahrer ein extrovertierter Typ, derzeit fallen Sie auch äusserlich durch Ihren Bart auf. Wie viel Zeit erfordert die Pflege?
Ich hätte nie gedacht, dass es so aufwändig ist! Es sieht von aussen wild und holzfällermässig aus, aber in Wirklichkeit ist es sehr zeitintensiv. Ab einer gewissen Länge fängt der Bart an, Locken zu werfen. Seither muss ich jeden Tag mit Bartwachs und Föhn dahinter. Eigentlich geht mir das schon zu weit. Ein bisschen eitel bin ich zugegebenermassen, aber nicht so extrem, dass ich dies jemals für möglich gehalten hätte. Manchmal schaue ich morgens in den Spiegel und frage mich: «Was ist bloss aus dir geworden?» (lacht)
Das Gespräch führte Svenja Mastroberardino, Adelboden.
Sendebezug: SRF zwei, sportlive, 13.1.19, 13:15 Uhr