War das wirklich Novak Djokovic (ATP 1) oder doch eher ein Amateur mit Djokovic-Maske? Diese Frage drängte sich beim Final des Cincinnati-Turniers, das nach New York verschoben worden war, förmlich auf. Im ersten Satz ging der «falsche» Djokovic gegen Milos Raonic mit 1:6 unter.
Erst im 2. Durchgang begann der Serbe wieder sein wahres Ich zu zeigen. Plötzlich war der Defensivkünstler mit den Nerven aus Stahl wieder in seinem Element, drehte die Partie und holte sich seinen 23. Sieg in diesem Jahr – bei keiner einzigen Niederlage. Zudem tütete er seinen 35. ATP-1000-Titel ein.
Nacken-Beschwerden
Auf dem Papier sieht es nach der perfekten Vorbereitung für die US Open aus, doch der Schein trügt. Denn im besagten Duell mit Raonic stand tatsächlich die Weltnummer 1 auf dem Feld, allerdings arg angeschlagen: Der Nacken bremste Djokovic. Bereits im 3-stündigen Halbfinal gegen Roberto Bautista Agut hatte sich der Serbe 3 Mal behandeln lassen müssen. Auch Bauchschmerzen machten ihm zu schaffen.
Im Endspiel ein ähnliches Bild: Bisweilen liess Djokovic jegliche Beweglichkeit, durch die er auf der Tour häufig als «Schlangenmann» bezeichnet wird, vermissen. Nach dem Triumph über Raonic redete der «Djoker» denn auch nicht lange um den heissen Brei herum: «Ich hatte in den letzten Tagen Probleme mit meiner Fitness, aber ich habe mich irgendwie durchgebissen.»
Durchgebissen – und dabei viel Kraft benötigt. 5 Stunden lang mühte er sich am Freitag und Samstag auf dem Court ab. Nun steht in Flushing Meadows das 2. Major-Turnier des Jahres an. Ab sofort geht es über 3 Gewinnsätze – Djokovic ist noch mehr gefordert.
Zverev und Thiem mit schwacher Vorbereitung
Die «jungen Wilden» wollen endlich der alteingesessenen Garde ein Schnippchen schlagen. Die besten Chancen auf einen Coup dürften sich Dominic Thiem (ATP 3), Daniil Medwedew (ATP 5), Stefanos Tsitsipas (ATP 6) und Alexander Zverev (ATP 7) ausmalen, selbst wenn manche von ihnen eine enttäuschende Vorbereitung ablieferten. Tsitsipas und Medwedew mussten beim ATP-1000-Turnier in New York im Viertel- beziehungsweise Halbfinal die Segel streichen. Thiem und Zverev gar schon in der 1. Runde.
Diese «jungen Wilden» planen den Coup
Auf seine zwei ewigen Rivalen wird Djokovic heuer bei den US Open nicht treffen. Rafael Nadal (ATP 2) bleibt den Staaten aufgrund der Corona-Pandemie fern. Roger Federer (ATP 4) erholt sich von einer Knieoperation und wird erst nächstes Jahr wieder in einem Ernstkampf zum Racket greifen.
Der Kampf um die Grand-Slam-Krone
Dadurch scheint der Weg für Djokovic weniger steinig, seinen 18. Major-Titel einzuheimsen und den Druck auf Federer (20 Titel) und Nadal (19 Titel) diesbezüglich zu erhöhen. Auch würde er die Diskussionen darüber, wer der «GOAT» (Greatest of all Time, der Grösste aller Zeiten) ist, neu befeuern.
Beim Major in New York konnte der Serbe bereits 3 Mal gewinnen, zuletzt 2018. Der 4. Triumph steht in Aussicht – und irgendwie hat man das Gefühl, dass sich Djokovic nur selbst schlagen kann.