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Wawrinka kündigt Rücktritt an «Stan the Man»: Ein spätberufener Champion hört auf

Stan Wawrinka beendet die Karriere. Eine Würdigung des Unbeugsamen mit der schönsten Rückhand der Tenniswelt.

Wawrinka mit der Trophäe der US Open auf dem Dach des Rockefeller Centers
Legende: Mit 31 Jahren ganz oben angekommen Stan Wawrinka gewinnt mit den US Open 2016 sein 3. Grand-Slam-Turnier und bejubelt den Triumph hoch über New York auf dem Dach des Rockefeller Centers. Imago/Shutterstock

Es wirkt wie eine schlichte Formalie, als im Mai 2014 «Stanislas» beerdigt wird. Sein Schützling wolle die Courts fortan als «Stan Wawrinka» betreten, erklärt Manager Lawrence Frankopan. «Stanislas» sei «lang, sperrig», lade regelrecht zu falscher Aussprache ein. Der Lausanner werde auf der Tour ohnehin «Stan the Man» genannt.

Der Zeitpunkt ist kaum zufällig. Kurz zuvor hat Wawrinka in Melbourne Historisches erreicht, als 2. Schweizer ein Grand-Slam-Turnier gewonnen. Das Interesse am schüchternen Bauernsohn aus dem Örtchen Saint-Barthélemy steigt. Da passt die verkürzte Form des Vornamens schlicht besser.

Es geht auch um die Emanzipation vom Image des «Marathon Man». Zwar drückt der Spitzname trefflich das Arbeitsethos dieses Unbeugsamen aus. Doch insinuiert er zugleich, dass noch zu oft die Klasse fehlt, um Partien vor Ablauf der vollen Distanz entscheiden zu können.

Dazu passt, dass Wawrinka 2013 zwei Marathon-Matches verloren hat: den Achtelfinal der Australian Open nach 5 Stunden gegen Novak Djokovic. Und im Davis-Cup-Doppel mit Marco Chiudinelli endet der Entscheidungssatz gegen Tschechien nach 7 Stunden 22:24. Die Reaktion darauf steckt in Wawrinkas Tattoo auf dem Unterarm: «Immer versucht. Immer gescheitert. Egal. Versuche es wieder. Scheitere wieder. Scheitere besser.»

Tattoo von Wawrinka
Legende: Das Motto auf dem Arm verewigt «Ever tried. Ever failed. No matter. Try again. Fail again. Fail better.» Wawrinka erzählte einst über sein Tattoo: «Wenn man nicht Roger, Rafa oder Novak ist, muss man lernen mit vielen Niederlagen umzugehen.» Keystone/Peter Klaunzer

Auf die bitteren Niederlagen folgt die stärkste Phase der Karriere. Nach Australian Open, Monte Carlo und Davis Cup 2014 triumphiert er im Jahr darauf in Roland Garros, macht sich eine Saison später an den US Open zu «Wowrinka» – beide Male nach Finalsiegen über Djokovic. 12 seiner 16 ATP-Titel erringt er zwischen 2013 und 2016. Ehrfürchtig sprechen Gegner vom «Stanimal».

Die Erfolge lösen ein Versprechen ein, das er 18-jährig mit dem Junioren-Titel an den French Open abgegeben hat und mit dem ersten ATP-Titel 2006 in Umag weiter befeuert. An Roger Federers Seite bejubelt er 2008 Olympia-Gold, doch zwischen ATP-Pokal Nummer 1 und 2 ziehen knapp 4 Jahre ins Land. Beim Gewinn der Australian Open ist Wawrinka fast 29 Jahre alt, Federer hat im selben Alter 16 seiner 20 Major-Trophäen eingefahren.

Meilensteine in Wawrinkas Karriere

Über Problem und Lösung sind sich Experten retrospektiv einig: Mentalität und Magnus Norman. Der Schwede, der 2013 sein Traineramt antritt, weckt im sensiblen Wawrinka den Champion. Ein Kämpfer, der mit seinem Paradeschlag innert Sekunden vom Arbeiter zum Künstler mutiert: die einhändige Rückhand, eine Symbiose aus Ästhetik und Wucht. Niemand hat eine vergleichbare Backhand im Repertoire.

Norman verbessert Wawrinkas Vorhandspiel, stabilisiert dessen Psyche. Aus Schwächen werden Stärken, sinnbildlich der Jubel des Romands nach grossen Siegen: Der rechte Zeigefinger an der Schläfe – alles Kopfsache.

Doch manchmal schlägt der Körper den Geist. Nach Genf 2017 gewinnt Wawrinka kein Turnier mehr. 2019 kassiert er beim Comeback nach einer Knie-OP Finalniederlagen in Rotterdam und Antwerpen. 2021 folgen Operationen am Fuss, längst wird öffentlich über seinen Rücktritt debattiert – Spekulationen, die er lächelnd abwehrt. ¨

Champion und Fan-Liebling

Seinen Traum, noch einen letzten Titel zu gewinnen, verfolgt er auch auf der Challenger Tour. Im September kommt er diesem mit einer Finalteilnahme in Rennes nahe. Nun geht Wawrinka, der im März sein 42. Lebensjahr antreten wird, auf einjährige Abschiedstour – mit Wildcards auf der ATP-Tour, sonst eben eine Stufe tiefer.

Zweifellos wird er bei jedem seiner Auftritte bejubelt werden. Denn der einstmals schüchterne Bauernsohn ist nicht nur ein Champion geworden, sondern auch ein Fan-Liebling. Oder schlicht: «Stan the Man».

Radio SRF 1, 19.12.2025, 18:45 Uhr ; 

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