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Die durchsichtige Maus Lebensmittelfarbe macht Haut transparent

Forschende schauen Mäusen unter die Haut. Dafür braucht's keine Magie, sondern etwas Farbe und viel Physik.

Unsichtbar zu sein, das wünschen wir uns wohl alle hin und wieder. Wäre manchmal ganz schön nützlich. Und faszinierend sowieso.

Blick unter die Mäusehaut

Forschende an der technischen Universität Dallas ist genau das gelungen – wenigstens ansatzweise und bei Mäusen. Sie haben Mäuse mit einem speziellen Farbstoff bestrichen und konnten danach zwar nicht gerade durch die Tierchen hindurch, aber doch einige Millimeter tief in deren Inneres schauen.

Das Transparenzserum ist eine Lebensmittelfarbe. Sie heisst Tartrazin oder E102 und sie gibt Esswaren und Getränken eine gelbe bis orange Farbe. E102 ist zum Beispiel in Puddingpulver drin, in Spirituosen, in Süssgetränken, im Senf oder in Bubble-Teas.

Wer hat’s erfunden und wie gefährlich ist’s?

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Der Farbstoff Tartrazin ist alt. Er wurde schon vor 140 Jahren entwickelt – und zwar vom Schweizer Chemiker Johann Heinrich Ziegler für das Basler Chemieunternehmen CIBA, der Vorgängerin der heutigen Novartis. Tartrazin oder E102 ist in der EU als Lebensmittelfarbstoff zugelassen.

Auch in der Schweiz ist E102 als Zusatzstoff erlaubt, jedoch mit strengeren Einschränkungen als in der EU. In Norwegen ist Tartrazin verboten. Studienresultate zur potenziellen Giftigkeit von Tartrazin sind widersprüchlich.

Dass der Stoff nicht nur Pudding gelb, sondern auch Mäuse durchsichtig machen kann, ist das Ergebnis einer akribisch durchgeplanten Studie.

Die Forschenden haben ganz gezielt nach einer ungiftigen Chemikalie gesucht, die die natürlichen Eigenschaften von lebendem Gewebe austrickst.

Die Physik der Transparenz

Wenn Lichtstrahlen auf sogenannte Grenzfläche treffen – also da, wo zwei unterschiedliche Medien einander berühren – dann werden die Lichtstrahlen gebrochen. Zum Beispiel an der Oberfläche eines Sees, wo Luft und Wasser zusammenkommen. Das sehen wir daran, dass unsere Beine geknickt aussehen, wenn wir sie im Wasser baumeln lassen.

Gelber Farbstoff im Wasser.
Legende: Makroaufnahme des gelben Farbstoffs, der in einen mit Wasser gefüllten Behälter fällt. Matthew Christiansen/U.S. National Science Foundation

Das hat mit der sogenannten optischen Dichte zu tun. Luft hat eine geringere optische Dichte als Wasser. Die Differenz macht, dass unsere Beine unter Wasser die Richtung ändern – natürlich nur optisch.

Wie man ein Grenzphänomen austrickst

Derselbe Effekt ist der Grund, dass wir nicht in biologisches Gewebe hineinschauen können. Die Membranen der Körperzellen haben eine höhere optische Dichte als das Blut und die wässerige Lymphe zwischen den Zellen. Wegen der Dichteunterschiede wirken die Zellmembranen wie ein Blocker – so dass kaum Licht durchs Gewebe dringen kann. Das Gewebe erscheint farbig und undurchsichtig.

Die Forschenden haben daher gezielt nach einem Stoff gesucht, der die optische Dichte der Lymphe und des Bluts erhöht und damit jener der Zellmembranen angleicht. Sie haben alte Optiklehrbücher gewälzt, mathematische Gleichungen entdeckt und dann in Datenbanken nach Substanzen gesucht, die genau dies bewirken könnten. So sind sie auf Tartrazin gestossen.

Das Transparenzserum auf dem Mäusebauch

Sie haben ihre betäubten Versuchstiere rasiert, die Farbe aufgetragen und nach zehn Minuten konnten sie durch die Haut hindurchblicken.

Eine Grafik mit zwei Mäusen, von denen eine teilweise durchsichtig ist.
Legende: Die Forschenden machten die Haut von lebenden Mäusen transparent, indem sie eine Mischung aus Wasser und dem gelben Lebensmittelfarbstoff Tartrazin darauf auftrugen. Der reversible Prozess ermöglichte die direkte Beobachtung von Blutgefässen und inneren Organen. Dr. Zihao Ou; schematics created with BioRender.com

Sie konnten dem Darm bei der Arbeit zuschauen. Und sie sahen die Leber, die Blase, Muskeln und auch die Blutgefässe im Hirn. Alles von blossem Auge.

Die Zukunft der Bildgebung?

Im wahrsten Sinn des Wortes Einblick ins Innere des Lebens. Logisch, dass Tartrazin in der Medizin nützlich werden könnte. Die Farbe wurde zwar noch nicht an Menschen getestet. Dafür bräuchte es zusätzliche Studien.

Die Hoffnung der beiden Entdecker ist aber, dass diese einfache Methode in Zukunft technische bildgebende Verfahren wie CT, Ultraschall oder Röntgen zumindest teilweise ersetzen könnte.

Weil Menschenhaut viel dicker ist als die von Mäusen, ist von Selbstversuchen aber abzuraten. Ob der Stoff in höheren Dosen für uns nicht doch giftig werden könnte, das müssen weitere Studien zeigen.

Also dann doch lieber schönen gelben Pudding essen … bevor die Hautverträglichkeit getestet ist.

Eine Animation wie es in Zukunft am Menschen aussehen könnte

Radio SRF 4 News, 06.09.2024, 16:25 Uhr

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