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Leben aus dem Labor Wird künstliches Leben bald Wirklichkeit?

Welche Mixtur braucht es, damit Leben im Labor entstehen kann? Gut 70 Jahre nach dem berühmten Miller-Urey-Experiment kommen experimentelle Chemiker der Erschaffung von einfachem Leben immer näher.

Vor gut 3.5 Milliarden Jahren entstand auf der Erde das Leben. Damals entwickelten sich einfache Bakterien. Wie genau das geschah, treibt den Menschen um. Wohl seit es ihn gibt. Im 20. Jahrhundert legte der Mensch Hand an und versuchte, Leben selbst zu erschaffen: künstlich und im Labor.

An der Universität Chicago versuchten zwei Forscher eine Ursuppe unter Zugabe von Energie, einer Art Blitz, zum Leben zu erwecken. Geklappt hat es nicht. Heute sind experimentelle Chemiker zuversichtlich, dass Leben im Labor bald zur Wirklichkeit wird.

Eine Frage der Zeit 

«In den nächsten 20 Jahren wird es möglich, im Labor einfaches Leben entstehen zu lassen.» Das sagt Didier Queloz, Nobelpreisträger und Astrophysiker an der ETH Zürich. Der Grund für seine Zuversicht: «In der Biomolekular-Chemie läuft seit zehn Jahren eine wahre Revolution ab, die Fortschritte sind enorm.» Andere Forschende teilen seine Zuversicht. Der Astrophysiker Thomas Henning etwa, der die Heidelberger Initiative zur Erforschung des Ursprungs des Lebens koordiniert. Er sagt sogar: «Die Chemiker aus unserer Gruppe werden wohl schon in den nächsten fünf Jahren die ersten primitiven Zellen im Labor entstehen lassen können.»

Das Experiment mit der Ursuppe 

Bis heute legendär ist das Experiment von Stanley Miller und Harold Urey aus den 1950er-Jahren. An der Universität Chicago bildeten sie in einem 5-Liter-Gefäss eine Uratmosphäre nach: eine Mischung aus Methan, Ammoniak und Wasserstoff. Damit verbanden sie ein zweites Gefäss, in dem sie Wasser verdampften. Aktiviert haben Miller und Urey die Ursuppe mit elektrischen Ladungen, die Blitze simulierten. Dabei entstanden zwar einfache Aminosäuren – wichtige Bestandteile des Lebens. Aber kein Leben. 

Immer noch ein Rätsel: Wo entstand das Leben?

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Bisher vermuteten Forschende, dass das Leben an heissen Quellen in der Tiefsee, an sogenannten schwarzen Rauchern entstanden ist. Experimentelle Erfahrungen im Labor deuten nun aber eher in eine andere Richtung, sagt Dieter Braun, Professor für Systembiophysik an der Maximilians-Universität in München: «Wir brauchen Süsswasser, eher basische pH-Werte und zwischendurch Trockenheit.» Damit gelten auf einmal andere Orte als heisse Kandidaten für die Entstehung des Lebens: Vulkanische Inseln zum Beispiel, wie etwa Island oder Hawaii. 

70 Jahre später ist die Forschung viel weiter und die technischen Möglichkeiten ungleich besser. Zwischen verschiedenen Gruppen in den USA, Grossbritannien und Deutschland herrscht ein Wettrennen darum, wer es zuerst schafft, Leben im Labor entstehen zu lassen.

Was genau ist Leben? 

Eine Münchner Forschungsgruppe um Dieter Braun, Professor für Systembiophysik, forscht an der Bildung von RNA, die Grossmoleküle, in deren Sequenzen die Erbinformationen sitzen.

Um von Leben sprechen zu können, brauchen wir eine funktionierende Zelle.
Autor: Thomas Henning Heidelberger Gruppe

«Wir sind gut vorwärtsgekommen», sagt Braun, «sobald sich die RNA-Sequenzen einwandfrei kopieren, kann man von Fortpflanzung und damit von Leben sprechen». Doch nicht alle sehen das so. «Um von Leben sprechen zu können, brauchen wir eine funktionierende Zelle», sagt Thomas Henning von der Heidelberger Gruppe. Ab wann genau man von Leben spricht, ist also Definitionssache.

Schweiz im Hintertreffen 

Die Schweiz sei mal vorne mit dabei gewesen in diesem Forschungszweig, sagt Nobelpreisträger Didier Queloz. Unterdessen wurde sie aber abgehängt. «Das muss sich ändern», sagt Queloz, «schliesslich gehört die ETH weltweit zu den Top Ten der besten Universitäten». Mit dem neu gegründeten Zentrum zur Erforschung der Entstehung und Verbreitung des Lebens hofft Queloz, junge, brillante Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler anlocken zu können. Ob es die ETH schafft, auf diesen Zug noch aufzuspringen, bleibt abzuwarten.

Links zu den verschiedenen Forschungsgruppen

Wissenschaftsmagazin, 17.2.2024, 12:40 Uhr

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