Das Cern entstand 1954 als Friedensprojekt, hilft seitdem Physikern, die Welt zu erklären, schenkte uns das Internet, ist je länger, je mehr auch umstritten – und wird nun 70 Jahre alt: Was man dazu wissen muss.
Wie das Cern «geboren» wurde
Nach dem Zweiten Weltkrieg ist die Naturwissenschaft in Europa am Boden. Kernphysiker hierzulande haben keine Chance gegen die Amerikaner, die damals in New York gerade ein neues Forschungsgrossgerät bauen, den Protonensynchrotron.
Unterstützung finden sie ausgerechnet bei einem Schriftsteller, dem Schweizer Denis de Rougemont. Er gehört zur sogenannten «Europäischen Bewegung» und findet: europäische Kooperation im Dienste der Teilchenphysik ist genau das, was es für Frieden und Völkerverständigung braucht.
Den konkreten Plan für das Cern schlägt der Physiker und Nobelpreisträger Louis de Broglie auf einem Kongress vor, den der Schriftsteller de Rougemont in Lausanne organisiert. Fünf Jahre später wird das Cern gegründet.
Das Higgs-Teilchen wird gefunden
Das Higgs-Boson war lange Zeit das einzige Teilchen im sogenannten Standardmodell (siehe Box), das nicht experimentell nachgewiesen werden konnte. Klar war, dass die Masse des Higgs-Teilchens gross sein muss.
Was ist Teilchenphysik?
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Die Teilchenphysik versucht zu klären, wie unsere Welt aufgebaut ist, und was Materie und Energie eigentlich genau sind. Vieles in der Teilchenphysik ist rein theoretisch. Ausgehend von dem, was sich messen und experimentell zeigen lässt, werden Theorien aufgestellt, die dann aber immer auch Annahmen über Teilchen enthalten, die noch kein Mensch je nachgewiesen hat.
Eine dieser Theorien ist das sogenannte Standardmodell. Es besagt, dass die Welt aus 17 Teilchen besteht, sechs Quarks, sechs Leptonen, vier Eich-Bosonen und dem Higgs-Boson.
Als das Cern 1954 gebaut wird, sind von den 17 einige nur Theorie und noch nie nachgewiesen worden. Genau das ist Teilchenphysik: Nachweisen, dass es etwas gibt, das erstens die Theorie stützt und das zweitens noch kein Mensch je gesehen hat. Auch dank des Cern sind inzwischen alle 17 Teilchen im Standardmodell nachgewiesen.
Hier kommt der Large Hadron Collider LHC ins Spiel: Um Teilchen mit hoher Masse zu erzeugen, braucht man sehr hohe Energiedichten. Die wurden am LHC möglich. 2012 dann der Durchbruch: das Higgs-Teilchen wird tatsächlich nachgewiesen.
Ein Nebenprodukt: die Erfindung des Internets
http://info.cern.ch
, das ist 1990 die erste Website der Welt. Online gestellt hat sie Tim Berners-Lee, der als junger Mann am Cern arbeitet. Er hat 1989 den html-Code entwickelt, der bis heute Grundlage des Internets ist. Eigentlich war er auf der Suche nach einer einfachen Methode, mit der Forschungszentren Informationen via Computer gemeinsam nutzen können.
Wie ist unser Universum entstanden?
Ein Forschungsziel am Cern ist zu klären, was direkt nach dem Urknall geschah. Man vermutet, dass das Universum in den ersten Mikrosekunden nach dem Urknall eine sehr heisse und dichte Suppe aus Quarks und Gluonen war, ein sogenanntes Quark-Gluon-Plasma.
Das Alice-Experiment am Cern zum Beispiel soll die Eigenschaften dieses Quark-Gluon-Plasmas klären. Andere Experimente (Atlas und CMS) untersuchen, was noch früher, weniger als eine Pikosekunde nach dem Urknall, geschah.
Das Cern: die Geschichte in Bildern
Noch grösser, noch stärker? Das nächste Projekt steht in den Startlöchern
Die Zukunft des Cern soll der Future Circular Collider sein, ein 90 Kilometer langer kreisförmiger Tunnel – dreimal so gross wie der jetzige Teilchenbeschleuniger. Er soll unter Frankreich und der Schweiz verlaufen, 200 Meter unter der Erde. Die Kosten werden auf 21 Milliarden Franken geschätzt.
Welche Fragen sind noch offen?
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Das Cern hat mitgeholfen, alle Teilchen, die zum Standardmodell gehören, vollends nachzuweisen. Das Standardmodell ist nun also sozusagen komplett.
Doch es gibt viele Dinge, die das Standardmodell nicht erklären kann: die Dunkle Materie zum Beispiel, die wohl einen Grossteil der Materie in unserem Universum ausmacht. Das Standardmodell kann auch nicht erklären, warum es viel mehr Materie als Antimaterie gibt.
Offene Fragen gibt es also noch genug. Die, die sich fürs Cern stark machen, sagen: Nur ein noch grösserer Teilchenbeschleuniger kann helfen, diese Fragen zu beantworten.
Ein Entscheid der Cern-Mitgliedstaaten, ob sie grünes Licht geben, wird nicht vor 2028 erwartet. Das Projekt ist umstritten, wegen der hohen Kosten und weil nach Meinung einiger Experten zu unklar sei, welche Ergebnisse der Collider wird liefern können. Andere führen dagegen an, Wissenschaft sei immer auch ein Aufbruch auf unbekanntes Terrain.
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