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Schwieriges Verhältnis Die ETH will ihre Beziehung zur Politik verbessern

Spätestens seit Corona ist klar: Das Verhältnis zwischen Wissenschaft und Politik ist kompliziert. Die Eidgenössische Technische Hochschule lanciert nun eine neue Offensive und versucht, den Austausch mit der Politik zu vertiefen. Sie gründet die Albert Einstein School of Public Policy.

Die ETH Zürich will Wissenschaftler ausbilden im Umgang mit der Politik – und sie will ihre Kräfte bündeln, um die schwierige Beziehung zur Politik zu verbessern. Dazu gründet sie die sogenannte «Albert Einstein School of Public Policy. Das interdisziplinäre Zentrum soll bestehende Studiengänge und Forschungsprojekte vernetzen und den Austausch mit der Politik künftig aktiver suchen als bisher.

Albert Einstein School of Public Policy

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Über 70 ETH-Mitglieder aus 13 Departementen werden sich in der Einstein School mit sechs Themengebieten befassen:

  • Künstliche Intelligenz und Digitalisierung
  • Umwelt-, Energie- und Ernährungssysteme
  • Raumplanung und bebaute Umwelt, Öffentliche Gesundheit
  • Wirtschaft und Innovation
  • Frieden, Konflikt und Sicherheit.

Dabei werden sie eng mit bestehenden Zentren und Instituten in den jeweiligen Bereichen zusammenarbeiten. Geleitet wird die Einstein School von Tobias Schmidt, Professor für Energie- und Technologiepolitik der ETH Zürich.

Martin Ackermann ist Professor an der ETH Zürich und Direktor des Wasserforschungsinstituts Eawag. Er weiss aus eigener Erfahrung, wie schwierig es sein kann, wissenschaftliche Erkenntnisse in politische Entscheidungsprozesse einzubringen. Während der Corona-Pandemie leitete er die COVID-Taskforce und beriet den Bundesrat. «Ein paar wichtige Dinge würde ich heute anders machen», sagt Ackermann rückblickend. «Es hat lange gedauert, bis ich meine Rolle als wissenschaftlicher Berater verstanden habe.»

Er habe lernen müssen, dass er nur Fragen klären, Fakten vermitteln und Einschätzungen geben sollte, aber keine Handlungsempfehlungen. «Man braucht eine klare Unterscheidung zwischen wissenschaftlicher Einschätzung und der eigenen Meinung.» Diese Trennung sei grundlegend für die Politikberatung.

Mann spricht in Mikrofon bei Konferenz.
Legende: Martin Ackermann war Präsident der COVID-Taskforce und hat am eigenen Leib erlebt, wie schwierig die Beratungsfunktion als Wissenschaftler sein kann. Keystone

Für viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gleiche die Politik einem Haifischbecken, sagt Ackermann weiter. Es brauche Mut, da hineinzuspringen. Doch Politikberatung sei wichtig. «Mit entsprechender Vorbereitung könnten das viele an der ETH und an anderen Hochschulen.»

«Vielen Politikern fehlt das Grundlagenwissen»

Das sieht auch Valentine Python so. Die Klimawissenschaftlerin kennt beide Seiten: Von 2019 bis 2023 sass sie für die Grünen im Nationalrat. «Aus nächster Nähe habe ich erlebt, dass vielen Politikerinnen und Politikern grundlegendes wissenschaftliches Wissen fehlt», sagt Python. Oft werde nicht klar zwischen Fakten und Meinungen unterschieden. «Dabei sollten die Fakten die Grundlage bilden – und erst danach, unter Berücksichtigung politischer Zwänge, eine Meinung entstehen.»

Als Forscherin habe sie zudem gemerkt, wie wenig sie selbst über politische Abläufe wusste. Sie und Martin Ackermann begrüssen es deshalb, dass die ETH den Austausch zwischen Wissenschaft und Politik nun gezielt stärken will.

Polit-Insider als Vermittler

Eine wichtige Rolle spielt dabei Walter Thurnherr. Acht Jahre lang war er bei den Bundesratssitzungen dabei, als Bundeskanzler, mit beratender Stimme. Nur wenige haben einen so guten Einblick ins Innerste der Schweizer Politik wie er.

Seit einem Jahr nun hat er eine Professur an der ETH Zürich. Thurnherr sagt, die Politik sei auf die Expertise der Wissenschaft angewiesen, denn: «Man weiss nie richtig, was eine Regulierung für Folgen hat. Deshalb bräuchte es noch viel mehr formellen und informellen Austausch, gerade zwischen Bundesrat und Wissenschaft.»

Person im Anzug schaut nach oben, Holzvertäfelung im Hintergrund.
Legende: Strippenzieher auf beiden Seiten: Der ehemalige Bundeskanzler Walter Thurnherr will zwischen Wissenschaft und Politik vermitteln. Keystone

Auch andere Schweizer Hochschulen bieten Studiengänge an, in denen es um das Verhältnis von Wissenschaft und Politik geht. Warum jetzt auch noch die ETH? Die ETH sei naturwissenschaftlicher ausgerichtet, sagt Walter Thurnherr dazu und: Je mehr Hochschulen versuchten, den schwierigen Beziehungsstatus zu vereinfachen, umso besser.

Radio SRF 2 Kultur, Wissenschaftsmagazin, 18.10.2025, 12:40 Uhr

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