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Tiere als Organspender Erstmals eine Schweinelunge in hirntoten Menschen transplantiert

Zu wenig Spenderorgane, zu lange Wartelisten für eine Transplantation – seit langem testen Forschende deshalb, ob auch die Organspende von Tieren ein möglicher Ausweg aus dem Dilemma wäre. Nach Herzen, Nieren und einer Leber wurde jetzt auch eine Lunge eines Schweins in einen Menschen eingesetzt.

Viele Schwerkranke warten vergeblich auf ein Spenderorgan. «Allein in der Schweiz sterben deshalb jede Woche im Schnitt ein bis zwei Personen», sagt der Mediziner Franz Immer von Swisstransplant. Bei uns gäbe es etwa dreimal zu wenig Spenderorgane. Deshalb sei die Hoffnung, dass auch Organe von Tieren einst den Engpass an Spenderorganen beseitigen können.

Seit vielen Jahren wird an der Übertragung von tierischen Organen auf Menschen, Xenotransplantation genannt, geforscht. Chinesische Forschende haben jetzt weltweit zum ersten Mal eine Schweinelunge in einen hirntoten Menschen verpflanzt. Bei dem nun im Fachjournal «Nature Medicine» publizierten Fall handelt es sich um einen 39-jährigen Mann, bei dem zuvor der Hirntod festgestellt wurde.

Was bedeutet hirntot?

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Nach der Diagnose Hirntod ist man juristisch tot, obwohl der Körper dank Beatmungsgerät, Medikamenten und künstlicher Ernährung eigentlich noch Wochen, Monate oder Jahre funktionieren kann. Durch den unumkehrbaren Ausfall sämtlicher Hirnfunktionen verliert der Mensch aber das Steuerungsorgan seines Körpers und kann nicht mehr ins Leben zurückgeholt werden.

Mögliche Ursachen für den Hirntod sind Ereignisse wie Schlaganfälle, Hirnblutungen, Sauerstoffmangel oder unfallbedingte Kopfverletzungen. Der Tod erfolgt dabei entweder durch eine schwere Schädigung des Gehirns oder einen anhaltenden Kreislaufstillstand mit permanentem Funktionsausfall des Gehirns.

Der verstorbene Patient wurde im Rahmen der aktuellen Studie künstlich beatmet und bekam diverse Medikamente verabreicht. Unter diesen Umständen hat das fremde Organ vom Schwein zwar funktioniert, aber es traten erste Abwehrreaktionen und auch Schädigungen der Lunge auf. Nach neun Tagen wurde auf Wunsch der Angehörigen der klinische Versuch beendet.

«Sicher ist dies ein weiterer Schritt in die Richtung einer klinischen Anwendung der Xenotransplantation», sagt der Experte Robert Rieben von der Universität Bern. Aber es bedeute jetzt nicht, dass man in zwei oder auch fünf Jahren allen, die eine Lunge nötig hätten, dann eine Schweinelunge transplantieren könne. Da die Sterblichkeit etwa auf der Lungenwarteliste mit einer der höchsten sei, wäre eine Alternative im Sinne der Xenotransplantation sicherlich interessant, erklärt Franz Immer von Swisstransplant.

Eine Grafik mit farbigen Balken zu Warteliste, Transplantationen und Todesfälle in der Schweiz.
Legende: SRF/Swisstransplant

Der Versuch aus China macht deutlich, dass es technisch auch mit einer Lunge durchaus möglich ist. Aber weitere oder andere genetische Veränderungen im Erbgut des Schweins sind notwendig, damit das Immunsystem eines Empfängers oder einer Empfängerin das fremde Organ noch besser akzeptiert.

Auch andere Organe bereits transplantiert

Vor drei Jahren hat in den USA erstmals ein Schweineherz sogar in einem lebenden, schwerkranken Menschen für ein paar Wochen geschlagen. Und ein Jahr später nochmal eins. «Die Patienten haben nicht sehr lang überlebt, 40 Tage beziehungsweise 60 Tage», fügt Rieben hinzu. Danach habe man eigentlich mit den Herzen vorläufig mal gestoppt.

Besser läuft es derzeit mit der Transplantation von Schweinenieren. «Im Moment gibt es drei Personen, die schon längere Zeit mit einer Niere von einem Schwein leben», sagt Rieben. Dies scheine gut zu funktionieren und man würde unter anderem weiter daran arbeiten, welche Gene im Erbgut des Tiers gezielt verändert werden müssten.

Bei vielen Personen löst aber bereits der Gedanke an eine Transplantation eines Organs von einem Tier zum Menschen erst einmal Widerstände und ethische Bedenken aus. Zum Beispiel, dass die gentechnisch veränderten Schweine als eine Art Ersatzteillager extra dafür entwickelt und gezüchtet werden.

Einige Leute würden dabei aber oft vergessen, sagt Rieben, dass sie in ihrem Alltag das Schwein in anderer Form gern nutzen und etwa Schweinefleisch essen. Ein Spenderorgan sei dagegen etwas Nachhaltiges und könne eines Tages vielleicht tatsächlich dem Mangel an Spenderorganen entgegenwirken.

Radio SRF 1, Echo der Zeit, 25.8.2025, 18:00 Uhr

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