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Xenotransplantation Schweine-Niere für Menschen: Bringt das jetzt den Durchbruch?

Eine hirntote Frau mit einer Schweineniere verbinden: Das Experiment ist spektakulär – aber wissenschaftlich fragwürdig.

Robert Montgomery ist ein Mann der Tat: «Ich wollte als Erster den Beweis erbringen, dass sich die scheinbar vielversprechenden Resultate aus Tierversuchen auf den Menschen übertragen lassen», sagte der 61-jährige Transplantationschirurg Ende Oktober der Zeitung USA Today.

Der Durchbruch? Eher nicht

Montgomery – der selbst mit einem Spenderherz lebt – hatte die Niere eines genmanipulierten Schweins mit dem Blutkreislauf einer hirntoten Frau kurzgeschlossen. Ausserhalb des Körpers der Frau. Die Familie der Patientin hatte dem Versuch zugestimmt. 54 Stunden dauerte das Experiment. In dieser Zeit schien die Niere voll funktionsfähig: Sie schied Urin aus und reinigte das Blut der hirntoten Frau.

Ist mit diesem Ergebnis tatsächlich ein «Durchbruch» der Xenotransplantation gelungen, wie die Medien berichteten?

«Nein, sicher nicht», sagt Robert Rieben vom Department for Biomedical Research der Universität Bern am Inselspital. Der Berner Biologe forscht seit über 20 Jahren an der Xenotransplantation, der Übertragung von Geweben oder Organen von einer Art an eine andere. So auch von Tieren an den Menschen.

Eine neue wissenschaftliche Erkenntnis hat es von diesem Experiment nicht gegeben.
Autor: Robert Rieben Biologe

Das medial orchestrierte Vorgehen von Chirurg Montgomery sieht er skeptisch: «Es hat die Xenotransplantation in die Schlagzeilen gebracht, aber eine neue wissenschaftliche Erkenntnis oder einen neuen Therapieansatz hat es von diesem Experiment nicht gegeben.» 

Die Schweiz als Teil der internationalen Forschungsspitze

Robert Rieben arbeitet mit Forschern der Ludwig-Maximilians-Universität München zusammen. Die Münchner gehören in der Xenotransplantation zur internationalen Forschungsspitze: Ihnen ist es zuletzt gelungen, genetisch veränderte Schweineherzen in Paviane zu verpflanzen. Die Tiere überleben bis zu sechs Monate.

Dabei spielen die Forschungsarbeiten aus Bern eine wichtige Rolle: Rieben und sein Team untersuchen, wie die sogenannten Endothelzellen – die Innenauskleidung der Blutgefässe – mit dem angeborenen Immunsystem interagieren. Sie wollen die Endothelzellen von Schweinen genetisch so verändern, dass das menschliche Immunsystem sie möglichst nicht mehr als «gefährlich» erkennt.

Eine Maschine statt einer hirntoten Patientin

Dafür schalten sie bestimmte Oberflächenproteine oder auch Zuckerstrukturen aus, damit Antikörper aus dem menschlichen Blut nicht mehr andocken können. Dies prüfen sie an sogenannten Perfusionsexperimenten:

«Wir schliessen menschliches Blut, das durch eine Herz-Lungen-Maschine gepumpt und dort mit Sauerstoff versorgt wird, an das Bein eines genetisch veränderten Schweins an», erklärt Robert Rieben. «Dieses Blut fliesst durch das Schweinebein, wir fassen es bei den grossen Beinvenen und geben es zurück in die Herz-Lungen-Maschine.»

Robert Rieben ist überzeugt, dass seine Experimente den gleichen Erkenntnisgewinn wie Robert Montgomerys Nierenversuch erzeugen. Der einzige Unterschied: «Es ist nicht eine hirntote Patientin, die den Blutkreislauf aufrechterhält, sondern eine Herz-Lungenmaschine.»

Das Ziel: ein Jahr überleben

Stand heute wäre die Xenotransplantation von Schweineherzen auf den Menschen «im Prinzip» zu verantworten, so Robert Rieben. Doch vorher wollen er und seine Partner noch bessere Voraussetzungen für die Patienten schaffen. Konkret: «Wir wollen den Schritt in die Klinik dann wagen, wenn wir mindestens ein Jahr Überleben bieten könnten.» An einer hirntoten Patientin würde Rieben jedoch nicht forschen.

Darf man an Hirntoten forschen?

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Bei der medialen Euphorie über Montgomerys Experiment ist diese Frage untergegangen: Darf und soll man hirntote Patienten für Forschungszwecke einbinden?

Franziska Sprecher, Professorin für öffentliches Recht mit Spezialgebiet für Gesundheitsrecht an der Universität Bern, sagt: «Auch in der Schweiz wäre ein solches Experiment im Prinzip rechtens.» Vorausgesetzt, es liegt die Einwilligung der Betroffenen vor, das Experiment ist von der zuständigen Ethik-Kommission bewilligt worden und die Sicherheitsvorkehrungen sind gewährleistet.

Mit dem Hirntod haben sich viele Menschen im Zusammenhang mit der Organspende auseinandergesetzt. Von der Vorstellung jedoch, seinen Körper im Fall eines Hirntodes der Forschung zur Verfügung stellen, davor schrecken manche unweigerlich zurück. Zu Recht?

«Rein objektiv gibt es dafür keinen Grund», sagt die Juristin, «denn sowohl bei der Organspende als auch bei einem Forschungsvorhaben wird am hirntoten Menschen ein Eingriff vorgenommen.»

Trotzdem gebe es einen entscheidenden Unterschied: «Bei der Forschung mit Toten denkt man an die Bilder von erstarrten Leichen, die seziert werden, bei der Organspende jedoch hat man vor allem die glücklichen Empfänger vor Augen, denen ein Weiterleben ermöglicht wird.» Die Umstände des Hirntodes jedoch, bei dem der Körper maschinell und mit Medikamenten am Leben erhalten wird, würden oft ausgeblendet.

Ein positiver Nebeneffekt von Robert Montgomerys Experiment könnte sein, dass der Hirntod stärker ins öffentliche Bewusstsein rückt. Sei's im Hinblick auf die Organspende – oder die Forschung.

Wissenschaftsmagazin, 06.11.2021, 12:40 Uhr

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