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Xenotransplantation Affe lebt zwei Jahre mit transplantierter Schweineniere

Organe von Tieren könnten für Menschen, die auf eine Organspende warten, die rettende Lösung sein. Eine US-amerikanische Forschungsgruppe ist dem einen Schritt nähergekommen. Sie haben Affen eine genetisch veränderte Schweineniere eingesetzt. Einer lebte damit über zwei Jahre lang.

Könnten Sie sich vorstellen, mit einem Herzen eines Schweins zu leben? Genau das tut zurzeit ein 58-jähriger Mann aus Baltimore. Ihm wurde vor einigen Wochen ein Schweineherz transplantiert. Er ist der zweite Patient weltweit mit einem solchen Herzen. Der erste Patient erhielt eines anfangs 2022. Er starb jedoch knapp zwei Monate später aufgrund einer Infektion mit einem Schweinevirus, der mit dem Herz transplantiert wurde.

Wenn Schweine zu Nierenspendern werden

Neben dem Problem der Infektionen liegt das grosse Problem solcher Transplantationen von Schweineorganen bei unserem Immunsystem. Es greift alles Fremde an, so auch ein Organ eines anderen Menschen – und noch stärker ein Organ eines Schweines.

Wie sich eine Schweineniere vermenschlichen lässt

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Die Forscherinnen und Forscher der Firma eGenesis aus den USA haben 69 Gene mithilfe der Genschere namens CRISPR modifiziert. Damit verfolgten sie zwei Ziele: Die Niere vor Angriffen des menschlichen Immunsystems zu schützen. Und Menschen vor schlummernden Retroviren der Schweine zu bewahren. Dafür inaktivierte das Forschungsteam alle 59 Retroviren in dieser Schweineart.

Die restlichen zehn veränderten Gene machen die Schweineorgane menschenähnlicher. Drei dieser Gene hat das Forschungsteam aus dem Erbgut aller Schweine herausgeschnitten. Und bei einigen Schweinen haben sie zudem sieben menschliche Gene eingebaut. Damit erzielten sie die besten Ergebnisse. Denn diese sogenannten Knockins verhindern unter anderem, dass es zu Gerinnseln kommt, wenn Affenblut durch Blutgefässe von Schweinenieren fliesst. Ihre Studie konnten sie im Fachmagazin Nature publizieren.

Solche Angriffe wie auch Infektionen will eine Forschungsgruppe aus den USA verhindern. Dafür transplantiert sie keine Herzen, sondern Nieren. Denn das ist das Organ, welches weltweit am meisten Menschen benötigen. In der Schweiz sind das über 1000 Menschen und ihre Wartezeit dauert im Mittel über zweieinhalb Jahre.

Rekord: Ein Affe lebt zwei Jahre lang mit Schweineniere

Um unser Immunsystem auszutricksen und Menschen vor Retroviren zu schützen, haben die 60 Forscherinnen und Forscher aus den USA Grosses geleistet: Sie haben sagenhafte 62 Gene in den Schweinen ausgeschaltet und sieben menschliche Gene ins Erbgut der Schweine eingefügt. So wird die Schweineniere menschenähnlicher. Je eine dieser genetisch veränderten Schweinenieren haben die Forschenden 21 Javaneraffen transplantiert.

Einer dieser Affen lebte 758 Tage lang mit der Spendeniere, also zwei Jahre und 28 Tage. Ein neuer Rekord – mehr als fünf Monate länger als in früheren Experimenten. Das Ziel der Forschungsgruppe ist es, dass in naher Zukunft solche Schweinenieren auch in Menschen funktionieren.

Steht nun Schweinenieren für Menschen nichts mehr im Wege?

Auch wenn neun der Versuchsaffen über drei Monate lang lebten, starben die anderen zwölf Tiere bereits nach wenigen Tagen bis Wochen. «Offensichtlich hat man also noch nicht alle Faktoren im Griff», so Biotechnologe Eckhard Wolf. Er führt sehr ähnliche Versuche mit Schweinen und Affen in Deutschland durch. Doch greift er nicht so stark ins Erbgut der Schweine ein. So ist die Züchtung einfacher. Der Nachteil: Die Affen benötigen nach der Transplantation mehr Medikamente. Das Ziel bleibt das gleiche: Das optimale Transplantationsorgan für den Menschen zu finden.

Xenotransplantation

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Xenos bedeutet fremd und damit ist hier artfremd gemeint. Dementsprechend beinhaltet eine sogenannte Xenotransplantation die Übertragung von Organen, Gewebe oder auch nur einigen Zellen über Artgrenzen hinweg. Ein Beispiel: Ein Schweineherz wird einem Menschen eingesetzt. Das Schwein eignet sich für den Menschen besonders gut als Organspender. Denn es ist uns nahe verwandt und seine Organe passen vom Aussehen und der Funktion gut zu uns.

Seit Jahren werden bereits Schweine-Herzklappen und -Hautflächen bei Menschen verwendet. Erfolgreiche Transplantationen von Schweinen zu Affen gibt es in der Forschung neben Herzen und Nieren zu Leber, Lungen und verschiedenen Zelltypen.

Zurück zur Eingangsfrage, ob Sie ein solches Schweineorgan annehmen würden oder nicht. Vielleicht berücksichtigen Sie dabei auch ethische Gründe. Also Überlegungen zur Frage, in was für einer Welt wir leben wollen: zum Beispiel Aspekte des Tierwohls und Abwägungen zu den medizinischen wie gesellschaftlichen Risiken und Chancen solcher Transplantationen. Und falls Sie besorgt wären, dass nur Menschen reicher Länder davon profitieren könnten, dann wäre dies weniger ein Argument dafür oder dagegen, sondern ein Auftrag an uns, als Gesellschaft, einen gerechten Zugang zu ermöglichen.

SRF2 Kultur, Wissenschaftsmagazin, 14.10 2023, 12:40

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