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Acht auf einen Streich

Eine Forschergruppe an der John Hopkins University in Baltimore hat einen Bluttest entwickelt, der acht verschiedene Krebsarten entdecken soll – allesamt häufig und auch gefürchtet. Für einige gibt es bisher nicht einmal eine Früherkennungsmethode. Trotzdem warnen Ärzte (noch) vor allzu viel Jubel.

Ein Bluttest zur Früherkennung von acht Krebsarten, das klingt nach einer kleinen Revolution. Zumal die Krebsarten, die entdeckt werden sollen, häufig und gefürchtet sind. Für einige der Krebsarten gibt es bisher nicht einmal Früherkennungsmethoden:

  • Eierstockkrebs
  • Leberkrebs
  • Magenkrebs
  • Bauchspeicheldrüsenkrebs
  • Speiseröhrenkrebs

Und die Methoden, die bei bestimmten Krebsarten angewendet sind aufwendig, unbequem und zum Teil auch umstritten.

Vor Jahren schon riet das Swiss Medical Board (SMB), das unter anderem von der Ärzteschaft (FMH) und der Gesundheitsdirektorenkonferenz der Kantone getragen wird, vom systematischen Screening mittels Mammographie ab . Hauptgrund: das ungünstige Nutzen-Risiko-Verhältnis. Auch die Zuverlässigkeit des PSA-Tests zur Früherkennung von Prostatakrebs wird angezweifelt. Und eine Darmspieglung zur Entdeckung von bösartigen Polypen wünscht sich keiner zum 50. Geburtstag.

Licht und Schatten

Kurz: Ein einfacher Bluttest, der die Hürde bei den Patienten zur Krebsvorsorge auf Bodenhöhe fährt und der auch noch mehrere Krebsarten zuverlässig entdeckt, wäre ein Hit.

Nur leider bietet das der Test namens «CancerSeek» der John Hopkins University in Baltimore noch nicht.

Bei einigen Krebsarten (Eierstock, Leber) gab der Test zwar korrekt an, dass ein Patient erkrankt war (Sensitivität 98 Prozent). Bei Brustkrebs lag die Quote aber lediglich bei 33 Prozent.

Grund dafür dürfte in der Anlage des Testes liegen. Der Test überprüft das Blut auf zwei Biomarker: Bruchstücke von Tumor-DNA und tumorspezifische Proteine. Beides wird von den Tumoren, wenn sie wachsen oder sich verändern, ins Blut abgegeben.

Die Kombination dieser zwei Biomarker für Screening ist neu. Bisher basierten solche Tests, die auch «Liquid Biopsy» (Flüssigbiopsien) genannt werden, lediglich auf der Suche nach DNA und wurden für die Evaluierung von Therapien bei fortgeschrittenem Krebs eingesetzt.

Vorstufe wird nicht erkannt

Das Problem beim Brustkrebs ist, dass es nur wenige Biomarker gibt, die im Blut erkannt werden können. Es ist darum fraglich, ob CancerSeek jemals ein guter Screening-Test für Brustkrebs wird.

Eine weitere Schwäche des Testes ist, dass er den Krebs vor allem in fortgeschrittenen Stadien erkennt. Stadium 1 erreichte lediglich die Sensitivität von 43 Prozent. Dabei wäre es ja das eigentliche Ziel der Vorsorge, den Krebs sogar in seiner Vorstufe zu erkennen.

Grösster Kritikpunkt der Fachleute an dem neuen Bluttest bezieht sich auf die Methodik, mit der CancerSeek getestet wurde. Die Forscher wandten den Bluttest bei 1000 Personen an, von denen man bereits wusste, dass sie Symptome von Krebs aufweisen. Diese Ausgangslage entspricht keinesfalls der realen Voraussetzung eines Screenings, wo Personen getestet werden, bei denen man eben nicht weiss, ob sie Krebs haben oder nicht.

Auf der anderen Seite weist CancerSeek eine hohe Genauigkeit auf. Bei 812 gesunden Menschen zeigte der Test gerade mal sieben falsch-positive Resultate an. Die Spezifität liegt also bei 99 Prozent.

Neue Validierung gefordert

Fachleute fordern eine Validierung von CancerSeek durch eine unabhängige Stelle und mit einer grossen Anzahl von Personen, bei denen nicht bekannt ist, ob sie Krebs haben. Zusätzlich müsse geprüft werden, wie viele Testpersonen das Ergebnis verfälschen, weil sie eine Erkrankung haben, die tumorähnliche Proteine ins Blut abgeben.

Sollte sich der Test in einer valablen Kontrollstudie bewähren, dann hätte er zumindest für die Krebsarten Potenzial, bei denen es noch keine Screening-Massnahmen gibt. Für Eierstockkrebs oder Bauchspeicheldrüsenkrebs zum Beispiel. Auch für Lungenkrebs sehen die Spezialisten Möglichkeiten.

Einige häufige Krebsarten werden beim momentanen Test gar nicht abgebildet, etwa Prostata- und Blasenkrebs.

Gefährliche Erwartungshaltung

Natürlich könnte nun die Forschergruppe die Protein-Palette verändern, um die hier genannten Mängel zu beheben. Je komplizierter allerdings diese Palette, desto schwieriger die Interpretation der Resultate und desto teurer auch der Test. Bisher ist er auf 500 Dollar angesetzt, was einige Fachleute als «sportlich» bezeichnen, vor allem bei uns in der Schweiz.

Auch warnen Onkologen vor der Haltung «ich mach mal schnell den Test, um sicher zu sein, dass ich keinen Krebs habe» und vor Firmen, die in Zukunft solche Tests im Internet anbieten werden im Sinne von: «Schicken Sie uns Blut, wir machen den Rest».

So ein Bluttest könnte durchaus in fünf Jahren schon auf dem Markt sein, die dafür notwendige Technik ist schon weit fortgeschritten und entwickelt sich rasant weiter. Vielleicht werden sich dann Bluttests wie CancerSeek für eine breite Vorabklärung eignen, um dann mittels weiteren Untersuchungen genauer nach möglichen Tumoren zu suchen. Untersuchungen ersetzen oder vermeiden, wird der Test wohl nicht. Eine hundertprozentige Diagnose wird wohl immer erst eine Biopsie ergeben, nicht eine Flüssigbiopsie wie CancerSeek.

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