Zwischen Vitaminpräparaten und Pülverchen haben sie sich breitgemacht: rosafarbene Dosen, glänzende Ampullen und Gummibärchen mit der magischen Zutat Kollagen. Sie versprechen glattere Haut, mehr Elastizität und Glow.
Es wird nun also geschluckt statt gecremt, um den Alterungsprozess zu bremsen. Aber kann das wirklich funktionieren?
Die vermeintlich logische Idee
Zunächst die Basics: Kollagen ist das am häufigsten vorkommende Protein im Körper. Es stabilisiert Gewebe, sorgt für Festigkeit und speichert Wasser in der Haut. Ab etwa Mitte 20 verlangsamt sich die körpereigene Produktion: Es werden weniger Fasern gebildet, vorhandenes Kollagen wird abgebaut. Die Folge: nachlassende Spannkraft, sinkende Feuchtigkeit und erste Falten. Genau hier setzen die Hersteller an – mit dem Versprechen, den Verlust durch Pulver oder Kapseln auszugleichen.
In hochwertigen Untersuchungen fanden wir in keiner Kategorie einen relevanten Effekt.
Easy: Wenn der Körper weniger Kollagen bildet, nimmt man es zusätzlich ein. Aber baut der Körper geschlucktes Kollagen wirklich in die Haut ein? Und selbst wenn – wären die Effekte überhaupt sichtbar?
Die unbequeme Wahrheit
Eine Übersichtsarbeit, die jetzt im American Journal of Medicine publiziert wurde, hat 23 doppelblinde, placebokontrollierte Studien mit 1474 Teilnehmenden ausgewertet – also Untersuchungen, bei denen die Probandinnen zufällig in Gruppen eingeteilt werden, entweder das Präparat oder ein Placebo erhalten und weder sie noch die Forschenden wissen, wer was bekommt. Dieses Studiendesign gilt eigentlich als Goldstandard, weil es Wirkung und Einbildung zuverlässig voneinander trennt.
In der Gesamtauswertung schienen die Präparate tatsächlich zu wirken: Die Haut war feuchter, elastischer, Falten etwas reduziert. Doch bei genauerem Hinsehen zeigte sich ein anderes Bild. Viele der Studien waren klein, liefen nur über kurze Zeiträume oder wurden von den Kollagen-Herstellern mitfinanziert.
In hochwertigen Untersuchungen fanden wir in keiner Kategorie einen relevanten Effekt.
Als die Forschenden die Ergebnisse nach Qualität sortierten, verschwanden die Effekte: In unabhängigen und methodisch solideren Studien liess sich kein Vorteil mehr nachweisen.
Nehmen Sie regelmässig Kollagen-Produkte ein?
«In hochwertigen Untersuchungen fanden wir in keiner Kategorie einen relevanten Effekt», schreiben die Studienautoren. Ihr Fazit: «Trotz insgesamt positiver Ergebnisse gibt es keine belastbaren klinischen Belege dafür, dass Kollagenpräparate Hautalterung tatsächlich beeinflussen.»
Werbeclaims ohne Fundament
Tja, und trotzdem füllen Produkte mit grossen Versprechen die Regale. «Anti-Falten», «Hydrating Glow», «Zellerneuerung» – wissenschaftlich gedeckt sind die allerdings nicht.
Die biologische Realität sieht nämlich so aus: Kollagen wird im Verdauungstrakt in Aminosäuren zerlegt, die der Körper dort einsetzt, wo gerade Eiweiss gebraucht wird – nicht gezielt in der Haut, wie auch andere Studien zeigen.
Ob einzelne Kollagenpeptide überhaupt in die Dermis gelangen, ist unklar. Was hilft, sieht vielleicht nicht so fancy aus, hat sich bei Dermatologinnen in Sachen Hautalterung aber bewährt: Sonnenschutz, Retinoide und eine ausgewogene Lebensweise.
Die neue Untersuchung zeigt: Kollagenpräparate sind kein medizinisches Wundermittel, sondern vor allem ein Produkt der Schönheitsindustrie. Wer zum Pulver oder Gummibärchen greift, kauft in erster Linie ein Versprechen – und bezahlt am Ende eher fürs Marketing als für nachweisbare Wirkung.