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Ausgewogene Körperpflege Reicht einmal Duschen pro Woche?

Die tägliche Dusche gehört für viele zur Routine. Andere waschen sich bis zu dreimal am Tag. Bedeutet minimalistische Pflege auch weniger Hygiene? Und riecht man das? Ein zweiwöchiger Versuch will Klarheit schaffen.

Sie ist für mich zu einem Ritual geworden: die Dusche am Morgen, bevor der Arbeitstag beginnt. Sie fungiert sozusagen als Wachmacher. Danach fühle ich mich frisch und parat für die Welt. Am Wochenende handhabe ich es anders. Da verfüge ich über mehr Zeit für sportliche Aktivitäten. Die Dusche gönne ich mir dann, wenn ich – meistens verschwitzt – nach Hause komme. «Einmal am Tag», das ist meine Devise. 

Die Duschgewohnheiten variieren natürlich stark. In meinem Umfeld habe ich einen Kollegen, der oft dreimal täglich unter die Dusche steht. Mir persönlich wäre das zu viel. 

Hollywood-Stars propagieren den Duschverzicht 

Ein anderes Extrem kommt aus den USA. Der Trend «Non Bathing» (Nicht-Baden) oder auch «Cleansing Reduction» (Reinigungsreduktion) wird nicht etwa von wasserscheuen Teenagern oder Klimaaktivistinnen und Klimaaktivisten propagiert. Stars wie Julia Roberts oder Jake Gyllenhaal verzichten auf zu viel Reinigung. Der Umwelt, aber auch der Haut zuliebe.

Meine Neugierde ist geweckt. Ich nehme die Challenge an und lasse Dusche, Duschmittel, Seife und Deo eine Woche lang weg. 

Zwei bis drei duschfreie Tage pro Woche sind ideal

Bevor mein Experiment startet, möchte ich natürlich wissen, wie es aktuell um meine Haut steht. Ich treffe den Dermatologen Andreas Arnold in seiner Praxis in Basel. Er prüft meine Haut zuerst optisch. Anschliessend misst er mit einem hochsensiblen Gerät den sogenannten transepidermalen Wasserverlust meiner Haut. Dieser Wert zeigt an, wie durchlässig mein Hautschutzfilm ist und wie viel Feuchtigkeit ich verliere. Mit einem Wert knapp unter zehn liegt dieser noch im Normbereich. Ab dem Wert 30 spricht man von einer kranken Haut.

Meine Haut ist gesund, Spuren einer leichten Trockenheit sind aber sichtbar. Vor allem um den Bauchnabel herum. Es gibt also durchaus Verbesserungspotenzial. 

Sie laufen ziemlich sicher nicht Gefahr, an irgendetwas zu erkranken, wenn Sie nur einmal pro Woche duschen.
Autor: Andreas Arnold Dermatologe, Basel

Viel mehr interessiert mich aber, was Dermatologe Andreas Arnold von meinem Vorhaben hält, eine Woche lang nicht zu duschen. «Sie laufen ziemlich sicher nicht Gefahr, an irgendetwas zu erkranken, wenn Sie nur einmal pro Woche duschen», beruhigt mich der Hautspezialist. Empfehlen würde er es mir aber trotzdem nicht.

Wendpunkte in der Geschichte der Körperhygiene

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Diese drei Errungenschaften haben die Kultur der Körperhygiene geprägt und verändert.  

Abwassersysteme: Im Mittelalter starb in Europa ein Drittel der Bevölkerung an der Pest. Bei den grossen Seuchen des 19. Jahrhunderts, Cholera und Typhus, erkannte man dann den Zusammenhang von mangelnder Hygiene, verseuchtem Wasser und Krankheiten. Deswegen wurden städtische Infrastrukturen gebaut, wie zum Beispiel Abwassersysteme.

Desinfektion: Die Hygienesituation in den Spitälern war katastrophal: Bis in das 19. Jahrhundert war die Müttersterblichkeit im Spital auffallend hoch. Der ungarische Arzt Ignaz Semmelweis machte in der Geburtsklinik Wien eine bahnbrechende Beobachtung: Ärzte aus dem Sezier-Saal gingen ohne Händewaschen direkt in den Gebärsaal. Semmelweis erkannte die Notwendigkeit, die Hände zu desinfizieren. Die Müttersterblichkeit konnte fast um den Faktor zehn reduziert werden. 

Die Waschmaschine: Die Erfindung der Waschmaschine ist ein Wendepunkt in der Geschichte der Hygiene. Wäschewaschen war früher Schwerstarbeit. Der gefürchtete Waschtag fand so selten wie nötig statt, die Kleider wurden möglichst lange getragen. Seit der elektrischen Waschmaschine kann man Unterwäsche und Socken täglich wechseln. Gleichzeitig ist der gesellschaftliche Druck entstanden, immer und überall frisch zu erscheinen.

Die Haut würde mir einen Verzicht zwar danken, ist sich Arnold sicher. Dennoch mahnt er: «Es kommt auf Ihren Beruf an und was Sie den ganzen Tag machen». Der Dermatologe präzisiert: «Wer als Gärtner oder auf der Baustelle arbeitet, wird schmutzig und schwitzt. Sie beginnen zwangsläufig zu stinken». Ein Problem fürs Umfeld und meine sozialen Kontakte also.

Der Riechtest – stinkt es meinem Umfeld schon? 

Bis zum fünften Tag meines Selbstversuchs hat mich noch niemand bezüglich unangenehmer Gerüche angesprochen. Immerhin darf ich ja auch während meiner Dusch-Pause die Problemzonen punktuell waschen. Allerdings können sich Füsse, Intimbereich und Achseln nur am Waschlappen und ein bisschen Wasser erfreuen. Solange ich nicht schwitze, funktioniert diese Handhabe aus Zeiten der Grosseltern ganz gut. 

Dann kommt der Tag der Redaktionssitzung. Ich bin doch leicht nervös. Anonym im ÖV unterwegs ist es mir fast egal, was die Leute über mich und meinen Körpergeruch denken. Gegenüber nahen Bekannten und meinen Arbeitskolleginnen und Arbeitskollegen möchte ich aber definitiv nicht stinken. 

Die Stunde der Wahrheit kommt kurz nach dem Mittag. Ich rufe zum freiwilligen Riechtest auf. Einige Arbeitskolleginnen und -kollegen nehmen je eine Nase voll. Zuerst an Schultern, Armen und Nacken. «Ich bemerke nichts Unangenehmes», verkündet der eine. Fast blumig beurteilt die andere meinen Nacken und die Arme. Ich bin überrascht. Immerhin haben diese Körperstellen seit fünf Tagen weder Wasser noch Duschmittel gesehen.

Zum Schluss und quasi zur Steigerung dürfen die Freiwilligen direkt unter meinen Achseln riechen. «Einen ganz leichten Schweissgeruch stelle ich fest», verkündet der Dritte, «nicht unangenehm, aber ich merke, dass da kein Deo drauf ist». Meine Erleichterung ist gross. Der feuchte Waschlappen unter den Achseln sorgt immerhin für einen halben Tag für neutrale Gerüche. 

Es gibt auch zu viel des Guten

Laut Dermatologe Andreas Arnold sind zwei, drei duschfreie Tage pro Woche ideal. Vor allem für Personen mit einer Problemhaut und der Tendenz zu einer sehr trockenen Haut. 

Gar nicht mehr zu duschen, hält Arnold allerdings für keine gute Idee. «Ein vergleichbarer Effekt zeigt sich zum Beispiel bei Teenagern während der Pubertät», erklärt der Dermatologe, «Hormone führen dazu, dass die Talgdrüsen mehr Fett produzieren». Wer dann aufs Waschen verzichtet, sammelt Bakterien und Schmutz auf seiner Haut. Diese können zu Hautreizungen und Irritationen, aber auch zu Pickeln führen.

In städtischen Gebieten befänden sich zudem auch mehr Ölrückstände in der Luft. Diese gelangten ebenfalls auf die Haut. Der Experte zieht den Vergleich mit Essgeschirr: «Teller und Besteck brauchen bei Kontakt mit zum Beispiel Butter oder Ölen auch Reinigungsmittel, um entfettet zu werden.» Schneidbretter für Gemüse und Früchte liessen sich auch nur mit Wasser reinigen. 

In seinem Praxisalltag sieht Andreas Arnold immer wieder Personen, die es mit der Reinlichkeit übertreiben: «Eltern baden ihre Kinder oft viel zu häufig und zu lange, weil Kinder dies eben auch gerne tun.» Bei einer entsprechenden Veranlagung könne dies schnell zu einer Neurodermitis mit sehr trockener Haut führen. «Reduzieren die Eltern das Badeintervall und die Dauer, kann sich die Haut des Kindes schnell wieder verbessern.» 

Sport ohne Deo – ein No-Go

Bis zum siebten Tag hat sich daran auch nichts mehr geändert. Auf die Dusche nach einer Woche freue ich mich trotzdem sehr. Duschen hat für mich auch etwas Rituelles und wirkt sich positiv auf mein Wohlbefinden aus. Ein Moment der Entspannung und Ruhe. 

In der zweiten Dusch-Entzugs-Woche will ich es nun auch mit Sport versuchen. Auf den habe ich – muss ich gestehen – in der ersten Versuchswoche verzichtet. Ich drehe eine Runde auf dem Vita-Parcours. Eine knappe Stunde bin ich an der frischen Luft unterwegs. Mit meiner Frische ist es danach allerdings vorbei. Der Schweiss steigt mir unangenehm in die Nase. Ich bräuchte dringend meinen Waschlappen und einen Brunnen. Bis nach Hause stinke ich im Auto ziemlich vor mich hin. Zum Glück bin ich alleine. Ich fasse einen Entschluss: Sport ohne Deo ist ein No-Go. 

Die Hautflora – ein fragiler Mikrokosmos 

Unsere Haut ist von einer Vielzahl von Mikroben besiedelt. Sie schützen uns vor schädlichen Bakterien, Viren und Pilzen. Diese Mikroben mögen es leicht sauer, deshalb hat unsere Haut einen leicht sauren pH-Wert zwischen 4,5 und 5,5. 

Mit jeder Dusche wird diese Hautflora, das sogenannte Haut-Mikrobiom, gestört und verändert - mechanisch durch Abrieb und die Dauer der Dusche und chemisch durch das Duschwasser mit einem pH-Wert rund um acht sowie die Reinigungsmittel. «Bei einer gesunden Haut reguliert sich das Haut-Mikrobiom innerhalb von ein bis zwei Stunden», erklärt mir Apothekerin und Toxikologin Petra Huber von der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW). 

Bei einer problematischen Haut, so hätten neuste Studien gezeigt, könne es aber durchaus auch bis zu fünf Stunden dauern, gibt die ZHAW-Dozentin zu bedenken. «Auch Kinderhaut und Haut von älteren Menschen leiden stärker», weiss Petra Huber. Je regelmässiger gewaschen werde, desto stärker gehe die Puffer-Fähigkeit der Haut verloren.

Seifen mit einem basischen pH-Wert von mehr als neun seien höchstens noch gut für die Hände, aber sicher nicht für den Körper. «Ich persönlich habe eine sehr trockene Haut und bin deshalb dazu übergegangen, nur noch die Körperstellen intensiv zu reinigen, die es vom Geruch her nötig haben», sagt Petra Huber. Und noch einen Tipp hat sie für mich: «Tendenziell muten wir unserer Haut zu viel Wäsche zu». 

Das Fazit nach 14 Tagen und nur einer Dusche 

Nach 14 Tagen und nur einer Dusche steht mein zweiter Besuch beim Dermatologen Andreas Arnold an. Nochmals kontrolliert er optisch meine Haut, prüft die Elastizität und misst den transepidermalen Wasserverlust. Der Wert liegt heute zwischen fünf und sechs, meine Haut verliert also weniger Feuchtigkeit. «Die Lipid-Schutzschicht, der Schutzfilm der Haut, ist nicht mehr jeden Tag durchs Waschen in Mitleidenschaft gezogen worden», kommentiert der Hautspezialist das Resultat. 

Meiner Haut gefällt der Selbstversuch offenbar gut. Ich werde nun zu meinem Einmal-pro-Tag-Rhythmus zurückkehren, allerdings mit Ausnahmen. An Tagen, die nicht schweisstreibend sind, lasse ich die Dusche in Zukunft auch mal weg. Und ich verwende weniger oder zwischendurch auch einmal gar kein Duschmittel. Nach dem Sport ist Duschen für mich jedoch Pflicht und auch aufs Deo möchte ich nicht verzichten. 

Duschtipps für eine bessere Haut

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  • Gerade im Winter bei Kälte und trockener Raumluft auf tägliches Duschen verzichten.
  • Duschzeit auf fünf Minuten reduzieren. Denn je länger die Dusche dauert, desto länger wird das Hautmikrobiom gestört. Zudem wird die Haut weicher, was sie durchlässiger macht. Sie verliert also mehr Feuchtigkeit. 
  • Nicht zu warm duschen. Ideal wäre Körpertemperatur. Je wärmer das Wasser, desto mehr Feuchtigkeit wird der Haut entzogen. 
  • Nur die Grösse einer Haselnuss an Duschmittel verwenden. Empfindliche Menschen können bei bestimmten Konservierungsmitteln, Duft- und Farbstoffen in den Produkten mit einer Kontaktdermatitis reagieren. 
  • Bei empfindlicher Haut pH-hautneutrale Reinigungsmittel verwenden.

Puls, SRF 1, 12.12.2022, 21:05 Uhr

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