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Bei mancher Arznei fährt das Risiko mit

Rund ein Fünftel aller Medikamente können die Fahrfähigkeit beeinträchtigen. Die Entscheidung, sich dennoch hinter das Steuer zu setzen, ist immer eine Gratwanderung.

Viele Patienten sind auf die tägliche Einnahme von Medikamenten angewiesen, die ihre Fahrtauglichkeit einschränken. Natürlich wäre es wünschenswert, im Zweifelsfalle immer dem Rat auf der Packungsbeilage zu folgen und gänzlich aufs Autofahren zu verzichten. Realistisch betrachtet ist das aber kaum umsetzbar – und in vielen Fällen auch gar nicht nötig. Die individuellen Reaktionen auf Medikamente können sehr unterschiedlich ausfallen: Während der eine schon bei kleinen Dosen Koordinationsschwierigkeiten und Schläfrigkeit zeigt, verträgt der andere auch eine doppelte Menge ohne Schwierigkeiten.

Die Medikamentengruppen mit dem grössten Einfluss auf die Fahrtüchtigkeit sind Beruhigungsmittel (Benzodiazepine), Schlafmittel (Benzodiazepine und Z-Substanzen wie das beliebte Schlafmittel Zolpidem), bestimmte Antidepressiva (Trizyklika), bestimmte Schmerzmittel (opiat-haltige), sowie Antiepileptika. Auch pupillenerweiternde Augentropfen können zum Problem werden. Einen weniger ausgeprägten, aber auch klar belegten Einfluss haben viele Allergie- und Diabetesmedikamente, Muskelentspanner, Grippemittel und Hustensäfte mit Codein.

Nachweis ist noch kein Grund für Busse

Gesetzlich gilt: Allein der Nachweis all dieser Medikamente im Blut reicht noch nicht aus für eine Busse oder einen Führerausweisentzug. Erst wenn das Medikament im Körper Auswirkungen hat, die die Fahrfähigkeit mindern, darf nicht mehr gefahren werden. Das Problem ist, an sich selbst abzuschätzen, ob dieser Punkt erreicht ist oder nicht; und erreicht ist er oft schneller, als man denken würde. Die in Frage kommenden Medikamente haben nämlich etwas gemeinsam: Sie senken die sogenannte Leistungsreserve. Das ist derjenige Teil der Hirn- und Körperfunktionen, der im Normalfall nicht beansprucht wird, jedoch blitzschnell mobilisiert werden muss, sobald etwas Unerwartetes geschieht – zum Beispiel ein abruptes Bremsmanöver. Unter Medikamenteneinfluss ist die Aufmerksamkeit vermindert und man reagiert in derartigen Situationen weniger schnell und adäquat – so entstehen Unfälle. Das grossflächig angelegte EU-Projekt Druid (Driving Under Influence of Drugs) hat in rund einem Dutzend EU-Länder Stichproben durchgeführt. Zwar schwankten die Zahlen zwischen den Ländern sehr, aber im gesamteuropäischen Schnitt waren 1.4 Prozent der kontrollierten Fahrer mit zu hohen Dosen leistungsbeeinträchtigender Medikamente im Blut unterwegs. Aus den entsprechenden Zahlen bei Unfällen errechnet sich ein zwei- bis neunfach erhöhtes Risiko auf einen Unfall mit schweren Verletzungen, je nach Typ des Medikaments.

Auswirkungen mit dem Arzt besprechen

Woher kann nun aber ein Medikamentenbenutzer wissen, ob und wie lange nach der Einnahme der Medikamente er fahren darf? Diese Frage muss jeder Patient unbedingt mit dem verschreibenden Arzt besprechen. Er kann die Auswirkungen am besten abschätzen. Generell gilt jedoch: In den ersten ein bis zwei Wochen sind die leistungsmindernden Wirkungen am stärksten. Während dieser Zeit sollten Patienten nicht hinters Steuer - danach je nach individuellem Ansprechen aufs Medikament. Zudem gilt bei einer Einnahme psychoaktiver Medikamente die Nulltoleranz für Alkohol, weil der die negativen Auswirkungen aufs Fahren ungleich potenziert. Gleiches gilt bei der Einnahme mehrerer psychoaktiver Medikamente: Auch sie verstärken sich gegenseitig im Effekt. Wichtiger Hinweis bei Schlafmitteln: Vor allem, wenn sie erst spät in der Nacht oder in höheren Dosen eingenommen werden, hält ihre Wirkung am nächsten Morgen noch an. Wer sich also in einer schlaflosen Nacht erst nachts um zwei für ein Schlafmittel entscheidet, ist am nächsten Morgen um sieben Uhr auf keinen Fall fahrtüchtig.

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