Bereits hat eine japanische Biotechfirma die Zulassung auf dem US-Markt für ihren Alzheimer-Bluttest erhalten. Und Roche will ihre beiden Tests schon in wenigen Monaten in Europa und der Schweiz auf den Markt bringen. Das berichten die Zeitungen von Tamedia.
Für Fachleute wie Marc Sollberger ist das eine gute Nachricht. Im Vergleich zu aufwendigen Rückenmarkspunktionen oder Computertomografien werde die Diagnose mit den Bluttests viel einfacher, so der leitende Arzt an der Memory Clinic Basel.
Was tun bei positivem Testresultat?
Die wissenschaftlichen Daten für die neuen Tests sähen bisher solide aus, sagt Sollberger. Die Diagnose werde damit wohl nicht nur einfacher, sondern auch günstiger. Die grosse Frage sei jedoch, wie breit die neuen Bluttests eingesetzt werden sollen.
Für Sollberger ist klar, dass die Tests in der Hand der Spezialisten bleiben müssen und nicht in die Hausarztpraxis gehören. Denn es bestehe die Möglichkeit von falsch positiven Resultaten.
Wie sollen die Betroffenen mit einem positiven Testresultat umgehen?
Ebenfalls schwierig sei es bei Personen, die in einem sehr frühen Stadium der Krankheit seien und erst in 10 oder 15 Jahren Alzheimer-Symptome entwickeln werden: «Das erzeugt einen Stress bei den Betroffenen. Wie sollen sie mit dieser Situation umgehen?»
Breite Tests ohne Therapie nicht sinnvoll
Dieses Problem sieht auch Bogdan Draganski, leitender Arzt der Memory Clinic am Inselspital in Bern. Die Angst vor Gedächtnisverlust sei verbreitet. Es gebe aber zahlreiche andere Gründe, warum man sich nicht mehr gut erinnere, es müsse nicht immer Alzheimer sein, betont er.
«Auch ich merke, dass ich mit Anfang 50 nicht mehr funktioniere wie mit 20», sagt er. Zudem gebe es ausser dem Altern noch andere Gründe für Gedächtnislücken: Depressionen etwa oder körperliche Gründe.
Wir können nicht die Krankheit diagnostizieren, aber die Menschen dann mit der Krankheit alleine lassen.
Ein breites Scannen der Bevölkerung auf Alzheimer ergebe deshalb keinen Sinn, sagt Draganski, zumal in der Schweiz Alzheimer-Medikamente der neueren Generation, wie etwa Lecanemab, noch nicht zugelassen seien.
Die Leute wären mit den Alzheimer-Bluttests überfordert. «Wir können nicht die Krankheit diagnostizieren, aber die Menschen müssen mit der Krankheit dann alleine zurechtkommen.»
Es gibt keine wirksamen Medikamente
Swissmedic hat den Entscheid über die Zulassung eines neuen Alzheimer-Medikaments in diesem Jahr schon mehrfach verschoben. Ausserdem: Auch die neuen Antikörpertherapien versprechen keine Heilung bei Alzheimer, sondern lediglich eine Verzögerung des Krankheitsverlaufs.
Ich bin der Hoffnung, dass sich doch eine Revolution anbahnt.
Aber immerhin habe man aus den vielen Fehlschlägen gelernt, sagt Draganski, der in den letzten Jahrzehnten in der Alzheimer-Forschung schon viele Anläufe und Versprechungen erlebt hat: «Ich bin der Hoffnung, dass sich doch eine Revolution anbahnt.» So seien die ersten Erfahrungen mit den neuen, «krankheitsmodifizierenden» Therapien, wie Draganski sie nennt, durchaus positiv.
Die neuen Bluttests zur Diagnostizierung von Alzheimer können also eine deutliche Vereinfachung bringen, wenn sie halten, was man sich bisher von ihnen verspricht. Es wird aber ein schwieriger Entscheid, wie breit man sie anwenden soll. Und eine Heilung von Alzheimer, die bleibt nach wie vor ein Traum.