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Ein Eisbecher mit Spaghetti-Eis.
Legende: Schlemmen im Dienste der Wissenschaft: Spaghetti-Eis. Colourbox

Das Auge regt den Appetit an

Das Auge isst mit, sagt der Volksmund – und der Volksmund isst auch mehr, wenn das Auge mitisst. Mit anderen Worten: Wer nichts sieht, isst weniger. Das haben Forscher der Uni Konstanz herausgefunden.

Es wirkte wohl fast ein wenig wie «Wetten, dass ...?»: Die Hälfte der 90 Probanden der Studie trug eine undurchsichtige Skibrille, die andere Hälfte blieb sehend. Ihnen gemeinsam war, dass sie alle glaubten, an einem Geschmackstest für Glace teilzunehmen. Im zweiten Schritt mussten sie schätzen, wieviel sie jeweils geschlemmt haben.

Vorgesetzt bekamen die Teilnehmer drei in Deutschland beliebte Geschmacksrichtungen in beliebiger Menge: Kirsch, Karamell und ein «Spaghetti-Eis» – Vanilleglace mit Rahm, Erdbeersauce und weissen Schokoladenstreuseln.

Beide Gruppen mochten die Glaces, sagt Gesundheitspsychologin Gudrun Sproesser von der Uni Kostanz. «Es gab allerdings einen signifikanten Unterschied zwischen den beiden Gruppen: Den Probanden mit verbundenen Augen schmeckte es weniger gut als den Probanden, die das Eis auch sehen konnten.»

Zudem konnte die Gruppe mit verbundenen Augen nicht auf Anhieb sagen, was für eine Glace sie gerade assen – sie empfanden den Geschmack aber als besonderer und exotischer. Gudrun Sprosser geht davon aus, dass diejenigen mit verbundenen Augen auch keine besondere Erwartung an den Geschmack hatten und sich einfach überraschen liessen, weil ihnen jegliche optische Anhaltspunkte fehlten. Als die Teilnehmer mit verbundenen Augen ihre Glaces aber benoten sollten, gaben sie schlechtere Noten als die sehende Gruppe. Die Weisheit «Das Auge isst mit», scheint sich zu bewahrheiten.

«Blinde Gruppe» überschätzt Eismenge deutlich

Zudem ass die «blinde» Gruppe zehn Prozent weniger als die sehende und verschätzte sich in puncto Menge völlig. «Obwohl die blinde Gruppe weniger gegessen hat als die sehende, schätzte sie doch, dass sie 88 Prozent mehr gegessen habe als sie tatsächlich tat. Die sehende Gruppe hat sich hier nur um 35 Prozent überschätzt», sagt Gudrun Sproesser. Möglicherweise intensivierte die Blindheit das Esserlebnis, was für eine vorzeitige Sättigung gesorgt haben könnte.

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Von einer Diät im Dunkeln könne man aber nicht sprechen, sagt Gudrun Sproesser. Weil das Auge aber mitass, wie die Studie zeigte, wäre es sinnvoll, wenn die Gesundheitsprävention direkt den Sehsinn ansprechen würde. «Wenn wir an Ernährungsempfehlungen denken oder an die Nährstoffhinweise auf vielen Produkten im Supermarkt, dann ist das relativ abstrakt und hat nicht mehr viel mit unseren Sinnen zu tun, die beim Essen aber eine zentrale Rolle spielen», so Gudrun Sproesser. Für die Gesundheitsprävention bedeutet das: statt Appellen an den Verstand mittels Kalorien, Fett und Zuckerangaben lieber auf die sinnliche Wahrnehmung setzen.

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