Gedächtnis trainieren
«Unser Hirn ist ein Riesengestrüpp», sagt Verena Steiner, Biochemikerin und Lernexpertin, «ein Urwald aus Nervenzellen und ihren Verbindungen.» Wenn wir ein Wort lernen, schlagen wir einen Weg in diesen Urwald. Wenn wir das neue Wort dann nicht ständig wiederholen, wächst der Weg wieder zu.
Durch regelmässiges Auswendiglernen und Anwenden wiederum wird dieser Weg immer breiter – bis die Schneise endgültig ist. Das Gelernte ist jetzt automatisiert, wir müssen nicht mehr nachdenken, wenn wir es abrufen möchten.
Heute ist das Auswendiglernen aus der Mode geraten. Damit geht dem Gehirn eine wichtige Trainingsmöglichkeit verloren. Deshalb rät die Gedächtnis-Expertin, sich nicht immer auf die neuesten Tools zu verlassen, sondern zum Beispiel auch einmal zu versuchen, Telefonnummern aus dem Gedächtnis einzugeben statt sie einfach aus dem Kontaktspeicher des Handys oder Telefons zu ziehen.
Oder wieder mehr zu überlegen, statt jede Information kurzerhand zu «googlen». Denn nach wie vor brauchen wir in vielen Situationen ein gutes Gedächtnis – oder würden Sie einem Apotheker vertrauen, der bei jeder Frage erst einmal das Internet konsultiert?
Lernen ebnet den Weg für Neues
Ist – um im Bild des Gehirns als Urwald zu bleiben – der Weg einmal angelegt, können alle Informationen, die das gleiche Themengebiet bedienen, leichter eingeprägt werden. So kann sich eine passionierte Köchin einen Rezepttipp schnell merken, Nichtköche dagegen werden sich damit schwer tun.
Das gleiche gilt für Sprachen: Am Anfang sind noch viele Eselsbrücken notwendig, doch je mehr man weiss und je selbstverständlicher man die Fremdsprache einsetzt, desto leichter kann man sich auch die Vokabeln merken.
Am besten ist es, das Gehirn auf verschiedenste Arten zu fordern. Neben dem Sprachenlernen ist auch das Erlernen eines Instruments eine Herausforderung. Wer dann noch Kreuzworträtsel löst oder gern Gesellschaftsspiele spielt, gibt dem Gehirn ausreichend Futter.
Probleme haben viele Menschen mit dem Namensgedächtnis. Verena Steiner rät, sich Namen mit einem Bild zu merken – und zwar direkt beim gegenseitigen Vorstellen. Am leichtesten fällt das, wenn man beispielsweise eine neue Sandra kennenlernt und bereits eine im Bekanntenkreis hat. Dann kann man sie mit «heisst wie …» abspeichern und später wieder abrufen.
In anderen Fällen lässt sich mit dem Nachnamen vielleicht ein Bild assoziieren. Dass sich viele Menschen eine Person und deren Beruf besser merken können als eine Person und deren Namen, liegt daran, dass bei der Nennung des Berufs direkt ein Bild im Kopf entsteht – und schon hat das Gehirn eine Möglichkeit gefunden, die Information abzuspeichern. Namen dagegen sind viel abstrakter.