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Diverse Nahrungsmittel und ein Blutzucker Messgerät
Legende: IMAGO / Pond5 Images

Ernährung im Fokus Blutzuckerspiegel überwachen: Was bringt das?

Immer mehr gesunde Menschen überwachen ihren Blutzuckerspiegel – weil das für mehr Vitalität und Leistungsfähigkeit, und weniger Heisshunger sorgen soll. Aber was bringt das wirklich?

3.4 Millionen Follower hat «Glucose Goddess» auf Instagram. Die «Glukosegöttin» Jessie Inchauspé hat mit ihrem Buch «Der Glukose-Trick» einen Bestseller gelandet, der in über vierzig Sprachen übersetzt wurde.

Gleichzeitig hat die junge Biochemikerin einen Gesundheitstrend geschaffen: Glukose messen und Blutzuckerspitzen vermeiden. Denn gemäss der Autorin sollen Fettpölsterchen, Hautprobleme oder Stimmungsschwankungen direkt mit ernährungsbedingten Schwankungen des Blutzuckerspiegels zusammenhängen.  

So messen mittlerweile Millionen von Menschen ihre Blutzuckerwerte mit einem Sensor und probieren die Tricks aus, die Jessie Inchauspé auf ihren Kanälen empfiehlt.  

Top Tipps der «Glucose Goddess»

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In der richtigen Reihenfolge essen: Zuerst die Ballaststoffe essen, z. B. Salat, dann Proteine wie Fleisch oder Fisch und erst dann die Kohlenhydrate wie Pasta oder Reis.  

Dies sorgt dafür, dass sich die Magenentleerung verlangsamt und die Aufnahme des Zuckers im Dünndarm verzögert wird.  

Der Verdauungsspaziergang: Die Bewegung sorgt dafür, dass die Blutzuckerkurve schneller wieder abflacht. Durch die Muskelkontraktion wird die Aufnahme des Zuckers in die Zellen beschleunigt.   

Besser ein herzhaftes statt ein süsses Frühstück: Damit verhindert man, dass der Blutzuckerspiegel schon am Morgen eine ausgeprägte Berg- und Talfahrt auslöst. Der steile Abfall führt dazu, dass man schneller wieder hungrig wird.   

Aber helfen diese Strategien tatsächlich dabei, die Achterbahnfahrten des Blutzuckerspiegels zu vermeiden – und eine bessere Haut und mehr Energie zu bekommen?     

Lia Bally ist leitende Ärztin und Professorin für Ernährungsmedizin und Metabolismus am Inselspital Bern. Sie findet die Tipps von Jessie Inchauspé anschaulich und gut präsentiert. Einige der Regeln empfiehlt auch die Expertin ihren Patienten. Insbesondere die Reihenfolge der Lebensmittel sowie den Verdauungsspaziergang nach einer üppigen Mahlzeit. «Schon eine Runde mit dem Hund ums Haus bringt viel», lacht die Expertin.   

Fehlende wissenschaftliche Evidenz  

 Ihre Patienten leiden jedoch meist an Diabetes, haben eine Stoffwechselkrankheit oder müssen abnehmen. «Stoffwechselgesunde Menschen ohne Risiken müssen nicht auf ihren Blutzucker achten», betont Lia Bally.  Dafür würden die wissenschaftlichen Beweise fehlen, dass Blutzuckerspitzen grundsätzlich schädlich seien – anders als ein dauerhaft erhöhter oder erniedrigter Blutzuckerspiegel.   

Ein grosses Problem ist, dass viele Leute gar nicht wissen, dass sie betroffen sind. Mit einem Piks in den Finger können die Mediziner den mittleren Blutzuckerwert einer Person bestimmen. Dieser zeigt, wie gut der Blutzuckerspiegel in den letzten acht bis zwölf Wochen eingestellt war, und wird daher auch Langzeitblutzucker genannt. Diese Untersuchung ist der aktuell anerkannte Standard für die Früherkennung der Diabetes. Dieser Wert zeigt dem Arzt, wer seine Blutzuckerkurve besser im Auge haben sollte.    

Glukose – der Energielieferant 

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Das Auf und Ab im Blutzuckerspiegel ist eine natürliche Reaktion unseres Körpers: Zucker aus der Ernährung verursacht den Anstieg und Insulin, ein Hormon der Bauchspeicheldrüse, entfernt den Zucker aus dem Blut, was zum Blutzuckerabfall führt. Körperzellen nutzen den Zucker als Brennstoff. In einem gesunden Körper reguliert das Insulin den Blutzuckerwert in einem schmalen Bereich (3.0-8.0mmol/L).

Lia Bally betrachtet Jessie Inchauspés Instagram-Profil und muss schmunzeln: «Glukosespitzen scheinen an allem Schuld zu sein», und zeigt auf einen Post der Influencerin, der erklärt, dass ein flacher Glukosespiegel auch einen positiven Effekt auf viele Hauptprobleme haben kann. 

«Bei den Studien, die Inchauspé als Grundlage für ihre Behauptungen nimmt, fehlt der Beweis des Kausalzusammenhangs durch ein angemessenes Studiendesign.» Somit sei es nicht wissenschaftlich bewiesen, dass es einen Zusammenhang gäbe zwischen den untersuchten Beschwerden und Blutzuckerspitzen.  

Auch wenn es wissenschaftlich nicht bewiesen ist – ungesund ist es sicher nicht, wenn man sich angewöhnt, zuerst den Salat zu essen und erst dann die Kohlenhydrate. Und zum Schluss darf man sich dafür noch ein Dessert gönnen. 

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A Point, 27.02.2024, 11:40 Uhr

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