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Experiment Zuckerverzicht Der Weg aus der Zuckerfalle

Vier Freiwillige versuchten für einen Monat süssen Versuchungen zu widerstehen. Hält die Disziplin auch ein Jahr später?

Eine Architektin, eine Sportlehrerin, ein Softwarespezialist und eine Helferin im Tierrettungsdienst – sie alle hatten noch vor einem Jahr etwas gemeinsam: ihr Zuckerlaster. Um dieses loszuwerden, gingen sie mit SRF Puls ein Experiment ein. 

Begleitet von der Kamera versuchten sie, einen Monat ohne zugesetzten Zucker zu leben. Mit Erfolg. Doch wie erging es ihnen, als die Kamera längst aus war und die Monate vergingen? Ein Jahr später treffen sie sich wieder. Doch erstmal der Blick zurück.

Wie alles anfing 

Über 400 Freiwillige meldeten sich bei der Puls-Redaktion für das Verzichts-Experiment. Ausgewählt wurden Marlis Toneatti, Susanne Strassmann, Sandrine Benz und Peter Ottiger. «Ich habe schon vorher probiert abzunehmen und mir gedacht: Wenn so viele Personen zuschauen, dann ist der Druck da, dann schaffe ich es vielleicht», erinnert sich Peter Ottiger. 

Im Sommer 2020 starteten die Vier ihr Zuckerexperiment: Zuerst wurden sie vermessen und ihre Blutwerte untersucht. Das Ergebnis war verschieden: Übergewicht, hohe Körperfettwerte, hohe Blutfettwerte - oder auch einfach nur die Lust nach einem gesünderen Leben, waren gute Motivatoren für das Viererteam. 

Brauchen wir Zucker?

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Der übliche Haushaltszucker, Sacharose, ist ein Zweifachzucker aus Glukose und Fructose. Stärke wie etwa in Brot oder Kartoffeln ist ein sogenannter Vielfachzucker. Dieser wird im Darm wieder in Einfachzucker aufgespalten.

Zucker gelangt relativ schnell ins Blut. Daraufhin schüttet die Bauchspeicheldrüse Insulin aus. Dieses hilft, den Zucker in die Zellen zu bringen, wo er unter anderem als Fett gespeichert wird. Sozusagen als Notfall-Energievorrat. Brauchen tun wir den Zucker dennoch nicht, so Ernährungswissenschaftlerin Anne Christin Meyer-Gerspach: «Unser Körper braucht keinen zugesetzten Zucker aus der Nahrung. Alles, was unser Körper an Zucker benötigt, kann der Körper selbst herstellen. Zum Beispiel aus komplexen Kohlenhydraten oder Aminosäuren.» Fleisch, Nüsse oder Gemüse können also auch zu Zucker umgewandelt werden.

Hände weg von den Birreweggen 

Dann ging es los – einen Monat lang galten strikte Regeln: Süssigkeiten, Süssgetränke und Fruchtsäfte waren Tabu. Den Zuckerkonsum in Form von Stärke wie Brot, Teigwaren, Kartoffeln sollten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer herunterfahren. Keine Snacks, nur drei Mahlzeiten waren erlaubt. Und Stärke-Beilagen durften dabei nur ein Viertel des Tellers ausmachen. Zum Check machten die Vier von jeder Mahlzeit ein Foto und schickten es der Ernährungsberaterin.

Was passiert bei zu viel Zucker?

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Illustration von Zucker in den Zellen
Legende: SRF
  • Gelangt zu viel Zucker ins Blut, wird immer mehr Insulin ausgeschüttet. Mehr Zucker wird in den Zellen als Fett gespeichert, kann aber bei hohem Insulinspiegel nicht mehr verbrannt werden. Die Folge: Übergewicht.
  • Auch in der Leber lagert sich Fett an. Es entsteht eine Fettleber.
  • Das Insulin verliert mit der Zeit die Wirkung als Zucker-Transporteur und schafft so den Zucker bald nicht mehr in die Zellen. Die Zuckerwerte im Blut steigen dauerhaft an. Mögliche Folge: Diabetes.
  • Weitere mögliche Folgen der Fettansammlung und des Übergewichts: Bluthochdruck, Herzinfarkt oder Schlaganfall.

Versuchungen gab es trotzdem noch genug: Peter Ottiger musste den selbstgebackenen Birreweggen vom Sohn widerstehen, Marlis Toneatti überstand den lange geplanten Kochkurs, ohne vom Dessert zu probieren. Susanne Strassmann liess zwar die Hände von ihrem Süssigkeiten-Fach, aber ganz ohne kleine Alternative ging es doch nicht: «Ich trinke manchmal ein Schlückchen Halbrahm, wegen seinem süsslichen Geschmack.» 

Doch alle drei hielten die Zucker-Abstinenz durch. Und nur einen Monat später zeigten sich deutliche Erfolge: Die Werte von Sportlehrerin Sandrine Benz waren weiter im grünen Bereich. Bei den anderen drei gingen Gewicht, Körperfett und Blutfettwerte deutlich herunter. Mehr Energie, weniger Gewicht und Susanne Strassmann konnte gar ihre Diabetes-Medikamente absetzen.

Eine beeindruckende Bilanz für nur einen Monat. Doch die grösste Herausforderung kam noch: Wie würde es weitergehen, wenn die Kameras aus sind und keine Kontrollfotos mehr gefordert sind? Die Ernährungsberaterin erlaubt gar etwas Süsses nach dem Essen. Dann, wenn der Hunger schon gestillt ist. Fördert das noch einen Zucker-Rückfall? 

Das Ergebnis macht Mut 

Ein Jahr später treffen sich drei der vier Teilnehmenden wieder, um gemeinsam zu picknicken. Mitgebracht werden Pouletbrüstli, Kichererbsensalat, selbstgemachte Salatsauce. Ein gesundes Buffet. Und etwas für den Dessert muss doch sein: Zitronenkuchen mit Birkenzucker, einem weniger kalorischen Zuckeraustauschstoff. Eine gute Gelegenheit, nachzufragen: wie ergeht es allen mit dem Zuckerkonsum?  

Peter Ottiger hat seine Ernährung auch ein Jahr später nachhaltig umgestellt. 15 Kilo hat er seither verloren. Die Umstellung sei gar nicht so riesig gewesen. Dank des Experiments hat er sogar einen weiteren Schritt gewagt: Er macht heute die Ausbildung zum Ernährungscoach. «Als ich am eigenen Körper erfahren habe, was innert kürzester Zeit möglich ist, und wie wenig Mühe mir das bereitete – da wollte ich mehr wissen.»

Rückfälle aber kein Jo-Jo-Effekt 

Alles also ganz einfach? Es gab auch Rückschläge. Susanne Strassmann hatte mit Gewichtsschwankungen zu kämpfen. Sie nimmt es philosophisch: «Der Weg ist das Ziel», so Strassmann, «ich esse einfach gerne Süsses oder etwas Fettiges. Aber ich esse nicht zu viel davon.» 

Dafür setzt sie beispielsweise mehr auf Zucker-Ersatz wie den Birkenzucker in ihrem mitgebrachten Kuchen. Die anderen Picknicker der Gruppe probieren trotzdem nur ein kleines Stück davon. «Seht ihr, jetzt muss ich wieder alles selbst essen!»

Architektin Marlis Toneatti zieht grundsätzlich eine positive Bilanz. Obwohl sie einiges an Gewicht verloren hat - das Idealgewicht ist noch nicht erreicht. Besonders ausschlaggebend für ihr Gewicht: der Verzicht auf Alkohol. 

Sportlerin Sandrine Benz schaltet sich virtuell zu. Wie erfolgreich war ihr Jahr nach dem Experiment? Auch sie konnte dem Zucker nicht immer widerstehen. Im Winter habe sie einen gnadenlosen Zucker-Rückfall gehabt. Seit dem Frühling hat sie aber wieder auf eine gesunde Ernährung umgestellt: «Ich habe von heute auf morgen einen kalten Entzug geschafft.»

Die Vorsätze danach 

Zumindest für Drei der Vier war der Weg aus der Zuckerfalle auch ein Jahr später nicht immer einfach. Motiviert bleiben aber alle. Susanne Strassmann setzt auf die Mischung. «Junkfood lasse ich weg.» Aber zwischendurch gönne sie sich auch mal etwas.  Marlis Toneatti setzt auf die kleine Dosierung: «Ein Täfeli Schoggi oder ein Guetzli pro Tag, einfach nur etwas Kleines.» Und für den angehenden Ernährungscoach Petter Ottiger ist klar: Es gibt keinen Weg zurück. «Ich habe das Süsse gar nicht mehr nötig.»

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Puls, 23.08.2021, 21:05 Uhr

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