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Fitness und Muskelaufbau Fitnesstraining im Vergleich: Was lässt Muskeln wachsen?

Das Geschäft mit der Fitness boomt. Da reizen Slogans wie «Fit in nur 6 Minuten pro Woche». Anbieter versprechen immer kürzere Trainingszeiten – zu hohen Preisen. Das «Einstein»-Team hat drei Methoden getestet und bei Sportwissenschaftlern nachgefragt, was die Trainings tatsächlich bringen.

Es gibt wohl kaum jemanden, der nicht gerne fit und sportlich wäre. Oft fehlt dafür aber die Zeit und Motivation. Verschiedene Anbieter werben deshalb mit immer kürzeren Trainingszeiten. Kann das funktionieren?  

Aurum – Was bringt das Sechs-Minuten-Training? 

Das Aurum-Trainingsgerät wirkt schlicht und erinnert an eine Kraftmaschine aus den 80er-Jahren. Darin steckt, laut Betreiber, aber Hightech und mit auch ein grosses Versprechen. Mit sechs Übungen von jeweils einer Minute sollen die grossen Muskelgruppen in Armen, Beinen und Oberkörper ausreichend trainiert werden – Kraftzuwachs quasi garantiert.  

Jemand, der schon viel konventionelles Krafttraining macht, dieses nun mit Aurum ersetzt und heruntergeht auf sechs Minuten pro Woche, kann nicht viel erwarten. Ein Krafttrainingsanfänger hingegen schon.
Autor: Jonathan Wagner Sportwissenschaftler, Universität Basel

Was kann man von diesem «Instant-Training» erwarten? «Es kommt sehr auf die Ausgangslage der Trainierenden an», betont Sportwissenschaftler Jonathan Wagner von der Universität Basel. «Jemand, der schon viel konventionelles Krafttraining macht, dieses nun mit Aurum ersetzt und heruntergeht auf sechs Minuten pro Woche, kann nicht viel erwarten. Ein Krafttrainingsanfänger hingegen schon.»  

Unabhängige wissenschaftliche Studien zu Aurum gibt es noch keine. Das Prinzip dahinter basiert auf dem sogenannten isokinetsichen Training, welches seit Jahrzehnten in der Rehabilitation eingesetzt wird. Das Training nutzt Maschinen, die eine konstante Bewegungsgeschwindigkeit vorgeben, während der Widerstand an die individuelle Muskelkraft angepasst wird.  

«Ich frage mich, wie alltagsnah dieses Training ist», gibt der Sportwissenschaftler Jonathan Wagner zu Bedenken. Grundsätzlich mache man in denjenigen Bewegungen Fortschritte, welche man trainiert. Und solche Bewegungen mit konstanten Geschwindigkeiten, wie sie bei Aurum trainiert werden, finde man im Alltag nicht. Gewisse minimale Transfereffekte in andere Kraftbereiche und in den Alltag seien, laut Wagner, jedoch schon möglich.  

Im Gegensatz zu Wagner kann Lars Donath, Professor für Trainingswissenschaften an der Sporthochschule Köln, der Aurum-Methode mehr abgewinnen: «Es ist erst mal besser als nichts». Insbesondere am Anfang der Trainingsphase könnte das ausreichend sein. Circa ein Jahr lang sind laut Donath solche minimalistischen Trainingskonzepte trainierbar. «Danach sollte das Training auf jeden Fall gesteigert werden». Donath empfiehlt drei Trainingseinheiten pro Woche und drei Wiederholungen pro Muskelgruppe. Das wäre dann schon eine knappe Stunde reine Trainingszeit pro Woche.

Aurum: Erfahrungsbericht

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Für das «Einstein»-Experiment rund ums Fitnesstraining hat Gelegenheitssportlerin Kathrin Hönegger während drei Monaten 10 Aurum-Trainings absolviert. Messungen der Universität Basel, die vor und nach der Trainingsperiode durchgeführt wurden, haben bei ihr einen Kraftzuwachs von 19 Prozent gemessen.  

Kathrin Hönegger sagt: Ich habe schon auf dem Surfbrett Wellen hinterher gepaddelt, auf Boxsäcke gehauen oder Kinder zur Welt gebracht – aber eher selten hat sich eine Minute so lange angefühlt: Beim Aurum-Training geht man an sein persönliches Limit, ja bis zum Muskelversagen. Das ist zwar überschaubar kurz, mit je einer Minute pro grosse Muskelgruppe. Aber so streng, dass ich nach den ersten Trainings keine Taschen mehr tragen kann oder auch nicht weiss, wie meine Tastatur betätigen: Meine Arme sind wie Spaghetti. Gekocht.  

Automatisch verziehe ich das Gesicht – «Durebisse bis zum Gehtnichtmehr!» ist Programm. In den ersten Trainings schwitze ich, stöhne und fluche. Auf der eigens für dieses Training entworfenen Maschine absolviere ich Woche für Woche die gleichen Sets. Ich spüre, wie sich meine Haltung verbessert, ich mich viel fitter fühle, die Leistung stets zunimmt. Doch nach einigen Wochen stagniert es kurz – ich kann mich nicht mehr steigern.

Das monotone Training verlangt dann noch mehr Motivation: dies liefern einerseits die kurze Dauer, aber auch die tollen Personal-Coaches, die nicht nur meinen Körper ganz genau überwachen und schauen, dass ich mich im perfekten Winkel bewege (und nicht verletze), sondern mich echt anspornen.

Kurz darauf steigere ich mich wieder. Ich bin begeistert, wie schnell mein Körper Kraft aufbauen kann – auch mit kurzen Trainingseinheiten. Deshalb stehen Kraftübungen auch künftig auf meinem Sportplan.

Crossfit – hart und effizient 

Ums Crossfit ranken sich die Superlative: «Crossfit ist das härteste Training der Welt» oder etwa «Was für Krieger – so trainieren die Elitesoldaten». Klar ist: Das Training ist hart und unterscheidet sich vom herkömmlichen mit Fitnessgeräten. Es geht um Kraft, Koordination und Ausdauer. Trainiert wird mit Langhanteln, Medizinbällen oder Eisenkugeln, die Bewegungen sind oft alltagsnah. Eine Trainingssession dauert meist eine Stunde, findet in Kleingruppen und unter professioneller Anleitung statt. Die Studios, auch Boxen genannt, sind keine Wohlfühloasen. Befinden sie sich doch oft in Kellern oder alten Fabrikarealen. Crossfit hat die Aura von «tough & rough».   

Im Gegensatz zum traditionellen Krafttraining, wo einzelne Muskeln isoliert bearbeitet werden, trainiert man beim Crossfit das Zusammenspiel von mehreren Muskelgruppen. Oft auch nur mit dem eigenen Körpergewicht. Und wie effektiv ist es? Lars Donath von der Sporthochschule Köln fasst folgendermassen zusammen: «Aufwand und Nutzen sind sehr effektiv.» Und: Das Training eigne sich auch für Fitness-Einsteiger. Denn die Übungen lassen sich auf jedes Fitnesslevel skalieren.  

Und was macht das Crossfit-Training so effektiv? «Man trainiere viele Muskeln in relativ kurzer Zeit mit relativ hohen Beanspruchungen». Das sei ein guter Reiz für den ganzen Bewegungsapparat, erläutert Lars Donath. Und die Verletzungsgefahr sei nicht höher als bei konventionellen Maschinentrainings. Das Risiko von freien Gewichten werde meist stark überschätzt, so der Sportwissenschaftler. Man müsse sich aber an gewisse Regeln halten und nicht übertreiben. 

Crossfit: Erfahrungsbericht

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Sportmuffel Anatol Hug hat seit 15 Jahren nicht mehr regelmässig Sport getrieben. Für «Einstein» hat der Redaktor vor drei Monaten mit funktionellem Training begonnen. Dreimal die Woche hat er sich eine Stunde lang abgequält und damit erstaunliche Resultate erzielt. Seine Kraft ist um 36 Prozent angestiegen, seine Ausdauer um 11 Prozent.  

Anatol Hug sagt: Erstaunter, zweifelnder oder mitleidiger Gesichtsausdruck und die Frage: Warum ausgerechnet Crossfit? Das war die übliche Reaktion bei allen, denen ich von meinem Fitnessvorhaben erzählt habe.

Sportskanone war ich definitiv noch nie. Und die letzten rund 15 Jahre komplett inaktiv. Jetzt erhoffe ich mir eine Art Initialzündung in eine hoffentlich sportlichere Zukunft. Auf dem Weg zum ersten Training (und ja, auch schon vorher) beschleichen mich dann aber doch leise Zweifel. Worauf zum Teufel habe ich mich da eingelassen? Bin dann aber überrascht, wer alles Crossfit macht.

Vom Teenager bis zum Senior ist alles dabei. Und weil die Trainer die Übungen immer in verschiedenen Schwierigkeitsgraden vorzeigen, und jeder seine Gewichte selbst auswählt, ist es selbst für Langzeit-sportabstinenzler wie mich absolut bewältigbar. Und das Workout in der Gruppe motiviert definitiv, alles zu geben.

Entsprechend heftig sind dann auch die Muskelkater nach den ersten Trainings. Und ich bin jedes Mal wieder aufs Neue gefordert. Einerseits von den Gewichten, aber vor allem durch die ganzen Abläufe, bei denen in einem Stakkato eine Übung in die andere greift.

Auch nach einigen Wochen bin ich nach dem Training jeweils fix und fertig. Aber ich habe auch immer mehr Spass an der Bewegung. Und merke je länger, je mehr, dass es mit meiner Fitness tatsächlich aufwärts geht. Und das ist ein ziemlich gutes Gefühl.

EMS – Sixpack aus der Steckdose 

Beim EMS-Training soll Strom die Muskeln zum Wachsen bringen. In einem enganliegenden Overall, ähnlich einem Surfanzug, sind Elektroden eingearbeitet, welche Stromimpulse auf die Muskeln übertragen und diese kontrahieren. Daher der Name: EMS steht für Elektromyostimulation.  

Eine Batterie auf dem Rücken liefert den Strom. Trainiert wird klassisch, funktional. Viele Übungen funktionieren mit dem eigenen Körpereigengewicht, wie zum Beispiel Liegestützen oder Rumpfbeugen. Ein EMS-Training dauert etwa 20 Minuten und wird von einem Coach geleitet, der auch die Stromstärke an den Fitnessgrad anpassen kann.  

Die EMS-Methode ist, wie Aurum, aus der medizinischen Rehabilitation bekannt und hilft zum Beispiel, die Muskeln von immobilen oder bettlägerigen Patienten zu aktivieren. Auf diesen Effekt setzt auch die Fitnessindustrie. Aber wie effektiv ist die Trainingsmethode?  

Der Sportwissenschaftler Lars Donath steht dem EMS als Fitnesstraining kritisch gegenüber. Für gesunde Menschen sei dieser zusätzliche Stromreiz nicht notwendig. Wer ganz normal mit Gewichten trainiere, könne die gleichen Effekte erzielen. «Die Zeit, um das EMS-System an- und wieder abzulegen, die kann ich auch nutzen, um zusätzliche Sätze zu trainieren», sagt Donath. Es gebe für gesunde Sportlerinnen und Sportler keine Indikation, mit EMS zu trainieren. Und die Methode berge auch Gefahren. Wenn man übertreibt und den Strom zu stark hochschraubt, etwa. «Da kann der Muskel regelrecht kaputtgehen.» Das sind aber Extremfälle, die nur sehr selten auftreten und meist reversibel sind.  

Auch dem Argument, dass das EMS-Training gelenkschonender sei – da weniger Gewicht auf den Gelenken lastet– gewinnt Lars Donath wenig ab. Der Körper sei ein interaktives System von Gelenken und Muskeln. Das soll auch gemeinsam trainiert werden. «Es gibt keinen Grund dafür, den Muskel isoliert–  ohne das Gelenk– zu belasten», erläutert der Sportwissenschaftler.   

EMS: Erfahrungsbericht

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Für «Einstein» hat Sportskanone Tobias Müller während drei Monaten mit EMS trainiert und dafür auf seine drei klassischen Krafttrainingseinheiten pro Woche verzichtet. Anfangs trainierte er nur, wie propagiert, ein Mal pro Woche. Bei einer Zwischenmessung nach fünf Wochen zeigten sich bereits erste Kraftverluste.

Für die verbleibenden Wochen hat Tobias Müller die Kadenz auf zweimal pro Woche erhöht. Nach zwölf Wochen zeigt die Messung: Tobias hat 4 Prozent mehr Muskelmasse und 6 Prozent mehr Kraft als zu Beginn des Trainings. Seine Ausdauer hat sich nicht verbessert.  

Tobias Müller sagt: Als würde ich in einem Ameisenhaufen liegen. So fühlt es sich an, als der niederfrequente Strom erstmals durch meine Muskeln fliesst. Ein seltsames Gefühl. Aber ich gewöhne mich schnell daran. Die Trainings sind hart. Nach wenigen Minuten bin ich tropfnass. Die Stromimpulse, die die Muskeln kontrahieren, machen jegliche Übungen spürbar anstrengender. Zum Vergleich: Wenn ich Liegestützen mache, brennen die Arme gewöhnlich so ab 30 Stück. Im EMS-Anzug schreien die Muskeln schon nach fünf bis sechs Liegestützen.

Nach den ersten Trainings folgt ein brutaler Muskelkater. Und leider teils auch Verspannungen im Nacken. War ich vielleicht zu ehrgeizig? Mit der Zeit bleiben die Verspannungen jedenfalls wieder aus. Vielleicht, weil sich mein Körper an die neue Belastung gewöhnt hat. Oder weil ich besser einschätzen kann, wie hoch die Stromstärke sein darf, um den Muskel zu fordern, aber nicht zu überfordern.

Was auch nach drei Monaten bleibt: Nach den 20 Minuten EMS-Training bin ich komplett ausgepowert. Dazu trägt sicher auch der Aspekt des Personaltrainings massgeblich bei. Die Trainerin pusht mich ständig. Ich mag das und hab deshalb gerne so trainiert.

Exercise-Snacks – Fitness für alle ohne Zeit für Fitness 

Dass Sport viele gesundheitlichen Vorteile mit sich bringt, wissen alle. Die WHO empfiehlt 150 Minuten Sport mit moderater Intensität oder 75 Minuten intensives Training pro Woche. Doch vielen fehlt die Zeit oder die Motivation und – manchmal auch beides.

Für all diejenigen nun die gute Nachricht: Es geht auch mit weniger Bewegung. Die Lösung: «Exercise-Snacks» – ultrakurze, über den Tag verteilte Bewegungseinheiten, bei denen schon wenige Minuten Training helfen, Gesundheit und Stoffwechsel zu verbessern und Kraft, Gleichgewicht sowie Ausdauer zu steigern. Dafür braucht man weder Sportschuhe, Turnhose noch Geräte. Und eben wirklich kaum Zeit, erklärt Sportwissenschaftler Michael Schwenk von der Universität Konstanz. «Der grosse Vorteil von «Exercise-Snacks» ist eben die Zeiteffizienz. Sie brauchen kein Material, Sie müssen sich nicht vorbereiten. Sie integrieren diese Snacks direkt in den Tag, im Gegensatz zum Gang ins Fitnessstudio oder ähnlichem.»  

«Exercise-Snacks» sind definiert als ultrakurze Einheiten hochintensiver Bewegung.  Zum Beispiel immer in Ausfallschritten zum Mülleimer gehen. Oder der Klassiker: Die Treppe, statt den Lift nehmen. Zentral ist bei allen Übungen: Kurz, aber intensiv. «Grundsätzlich geht es darum, Herzfrequenzen zu erreichen, die im Bereich des hochintensiven Intervalltrainings liegen», erklärt Schenk. «Das liegt so im Bereich 80 Prozent der maximalen Herzfrequenz. Dazu müssen Sie die Treppe wirklich zügig hochgehen.»  

Wir sehen, dass neun Snacks in der Woche Kraft und Gleichgewicht um rund 10 Prozent steigern.
Autor: Michael Schwenk Sportwissenschaftler, Universität Konstanz

Das Konzept dieser kurzen, intensiven Bewegungseinheiten ähnelt dem hochintensiven Intervalltraining (HIIT), bei dem der Körper für kurze Zeit stark beansprucht wird, dann eine kurze Pause eingelegt und die Bewegung dann wiederholt wird. Bei Sport-Snacks dauert das Training oder die Bewegung jedoch nur ein bis zwei Minuten, mit einer längeren Ruhephase von einer Stunde oder mehr dazwischen. Und es zeigt sich: Schon nach vier Wochen Training verbessert sich die Fitness deutlich.

«Wir sehen, dass neun Snacks in der Woche Kraft und Gleichgewicht um rund 10 Prozent steigern», so Schwenk. Nur: Regelmässig in Ausfallschritten durchs Büro zu gehen oder Stuhldips zu machen, komme mit einem Handicap: die Blicke der Bürokolleginnen und -kollegen. Deshalb empfiehlt Michael Schwenk, gemeinsam zu «snacken». Das bringt zugleich Spass und Motivation.

Einstein, 8.2.2024, 21:05 Uhr

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