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Jede Minute Bewegung zählt Myokine: die heilende Superkraft unserer Muskeln

Muskeln geben nicht nur Kraft. Sie produzieren auch Botenstoffe, die wie Medikamente wirken. Dass Bewegungsmangel zu den grössten Gesundheitsrisiken gehört, ist seit langem bekannt. Doch wie gross umgekehrt der Nutzen von Bewegung für die Gesundheit ist, wurde lange unterschätzt.

Wenn Muskeln bewegt werden, werden sie zu kleinen Apotheken: Sie produzieren dann Myokine, heilsame Botenstoffe, die sich positiv auf unsere Gesundheit auswirken: von Diabetes über Herz-Kreislauf bis zu Alzheimer. Myokine wirken gegen jede der grössten Zivilisationskrankheiten. 

«Diese Botenstoffe kommunizieren mit dem Rest unseres Körpers», erklärt Wilhelm Bloch. Der Sportmediziner erforscht Myokine an der Sporthochschule Köln. «Das ist auch der Grund, warum Myokine im ganzen Körper und auf jedes einzelne Organ wirken.» 

Muskeln, die körpereigene Apotheke

Es gibt Hunderte von Myokinen. Bisher weiss man nur von einem Teil, wie sie genau wirken. Eines davon ist Irisin. Es wandelt ungesunde weisse Fettzellen in braune um, die, statt Energie zu speichern, Energie verbrennen.

Die Folge: Man nimmt ab, hat ein geringeres Risiko für Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. 

Wenig hilft schon viel

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Die gute Nachricht: Schon geringe Dosen Bewegung nützen. Das zeigt eindrucksvoll die bislang umfangreichste Analyse zum Thema Bewegung und Sterberisiko der Universität Cambridge.

Die Forschenden werteten rund 200 wissenschaftliche Arbeiten mit insgesamt 30 Millionen Probanden aus und kamen zu dem Ergebnis, dass bereits elf Minuten moderate Bewegung wie zügiges Spazieren, Wandern oder Radfahren pro Tag das Risiko eines vorzeitigen Todes um 23 Prozent senken.

Gut erforscht ist auch das Myokin BDNF. Dieser Botenstoff lässt Nervenzellen wachsen und wirkt so gegen neurodegenerative Erkrankungen wie Alzheimer oder Parkinson.

Für Wilhelm Bloch sind die Muskeln deshalb so etwas wie eine körpereigene Apotheke: «Weil der Muskel über die Myokine mit allen Organen und Geweben kommuniziert, ist das im Prinzip so etwas wie eine Multipille. Myokine wirken letztlich auf den gesamten Organismus und so auch auf praktisch jede Krankheit.»

Mit Bewegung Krebs bekämpfen

Derzeit erforscht Wilhelm Bloch, wie Myokine Krebs bekämpfen können. Dazu radeln Probanden auf Fahrradergometern in verschiedenen Intensitäten. Anschliessend wird ihnen Blut abgenommen und das Blutserum, in dem sich die Myokine befinden, extrahiert. 

Das Blutserum wird dann auf verschiedene Tumorzellen aufgetragen. Die bisherigen Forschungsergebnisse zeigen: Es wirkt. Die Behandlung mit Myokinen verlangsamt die Vermehrung der Tumorzellen im Labor deutlich. 

Sport, so Bloch, könne Medikamente zwar nicht ersetzen, aber die Prognose von Krebspatienten könne durch regelmässiges Krafttraining deutlich verbessern: «Je nach Tumorart kann das Fortschreiten der Krankheit oder ein Rückfall bei Genesenen um 10 bis 40 Prozent reduziert werden», erklärt Bloch. 

Man kann mit Sport die biologische Uhr zwar nicht zurückdrehen, aber man kann sie verlangsamen.
Autor: Wilhelm Bloch Sportmediziner

Und die Aktivierung der Muskeln hat noch einen weiteren Effekt. Sie können direkt auf die Gene einwirken. Denn mit zunehmendem Alter werden Gene, die die Tumorbildung unterdrücken, abgeschaltet. Durch regelmässigen Sport bleiben diese Gene länger aktiv und das Krebsrisiko sinkt. «Man kann mit Sport die biologische Uhr zwar nicht zurückdrehen, aber man kann sie verlangsamen», betont Bloch.  

SRF 1, Einstein, 7.12.2023, 21:05 Uhr

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