Seit den 70er Jahren weiss man, dass Folsäure gerade zu Beginn einer Schwangerschaft essenziell ist, weil dann die Zellteilung des Embryos besonders intensiv ist.
Weitere Untersuchungen haben gezeigt: Im fortgeschrittenen Alter senkt eine ausreichende Folsäureversorgung auch das Risiko für Herz-Gefässkrankheiten wie Schlaganfälle und möglicherweise auch noch für andere Krankheiten der zweiten Lebenshälfte wie Demenz oder Altersdepressionen.
Neuralrohrdefekte beim Embryo
In der Schweiz erleiden jährlich rund 50 bis 60 Kinder respektive Embryonen Fehlbildungen von Hirn und Rückenmark. Geboren werden aber nur durchschnittlich 20 Kinder pro Jahr.
Die Fehlbildungen entstehen durch den mangelnden Verschluss des Neuralrohrs. Schliesst sich beim wachsenden Embryo das Neuralrohr, aus dem Hirn und Rückenmark entstehen, nicht vollständig, können im Extremfall grosse Teile des Gehirns fehlen. Die betroffenen Kinder sterben vor oder kurz nach der Geburt.
Kommt es zu der als Spina bifida oder «offener Rücken» bezeichneten Spaltbildung der Wirbelsäule, haben die Kinder gute Überlebenschancen, müssen aber zum Teil mit schweren Behinderungen leben. Zwar operieren Chirurgen diese Kinder vor oder direkt nach der Geburt, dennoch treten je nach Lage und Ausmass des Defektes Lähmungen oder Probleme beim Entleeren des Darms und der Blase auf. Ausserdem droht eine Gehirndrucksteigerung, die unbehandelt Hirnschäden und damit weitere Behinderungen verursachen kann.
Folsäure-Prophylaxe wirkt
Heilen lässt sich der offene Rücken nicht. Vorbeugen kann man aber, und zwar mit Folsäurepräparaten. Eine ausreichende Folsäure-Prophylaxe kann das Risko für solche Neuralrohrdefekte bis zu 75 Prozent senken, das haben verschiedene Studien ergeben.
Auch die Gefahr von anderen Fehlbildungen wie Herzfehler oder Lippen-, Kiefer- und Gaumenspalten soll sich durch eine ausreichende Zufuhr von Folsäure verringern lassen. Allerdings sollte mit der Einnahme bereits vor der Schwangerschaft begonnen werden – was gerade bei ungeplanten Schwangerschaften schwierig ist.
Folsäure natürlich und künstlich
Für den täglichen Grundbedarf an Folsäure werden 0,4 Milligramm täglich empfohlen. Bei einer Schwangerschaft reicht die Aufnahme über Lebensmittel dafür bei den hiesigen Ernährungsgewohnheiten allein nicht aus.
Folsäure kommt in Kohlgemüse, Sojabohnen, Spinat, Weizenkeimen, Erdbeeren und Leber zwar reichlich vor, Lagern und Kochen vermindert aber den Gehalt an Vitamin B9.
Interessanterweise kann künstliche Folsäure im Darm zu 100 Prozent absorbiert werden, wohingegen natürliche Folsäure nur zur Hälfte aufgenommen wird.
Um eine ausreichende Zufuhr zu garantieren, sollten Frauen mit Kinderwunsch zusätzlich 0,4 Milligramm reine Folsäure über Präparate einzunehmen und zwar bis 12 Wochen nach der Empfängnis. Folsäurepräparate bieten bei geringem Aufwand einen grossen Gewinn an Sicherheit für die Kindesentwicklung.
Frauen, die bereits Kinder mit einem offenen Rücken geboren oder die wegen dieser Fehlbildung schon einmal eine Schwangerschaft abgebrochen haben, sollten nach Expertenmeinung bei einem erneuten Kinderwunsch eine noch höhere Dosis einnehmen.