Alle Eltern wünschen sich ein gesundes Kind. Aber wie weit darf dieser Wunsch gehen? Dürfen Menschen mit Kinderwunschbehandlung «vorsortieren», damit möglichst keine Kinder mit Gendefekt geboren werden?
Nicht immer ist die Antwort so einfach. Im «Input» kommt eine Familie zu Wort, die beide Seiten kennengelernt hat. Einen gesunden Sohn hat sie bereits. Bei der zweiten Schwangerschaft zeigten die routinemässige Ultraschallaufnahmen jedoch, dass die Entwicklung nicht ganz normal verlief, sich die Gliedmassen nicht altersentsprechend entwickelten. Der Verdacht einer Anomalie erhärtete sich zunehmend, den Eltern stand sogar eine Spätabtreibung, eine eingeleitete Totgeburt, offen, doch sie entschieden sich dagegen. Erst nach der Geburt war klar: Das kleine Mädchen litt an der Glasknochenkrankheit, einer genetischen Anomalie, die die nichtsahnenden gesunden Eltern beide in sich trugen und die sie dem Kind zu gleichen Teilen vererbt hatten. Knapp zwei Jahre später zeigten sich in einer erneuten Schwangerschaft wieder Anomalien und das Paar entschied sich für eine Abtreibung vor der zwölften Schwangerschaftswoche. Kurz nach diesem Tiefpunkt folgte ein weiterer Tiefschlag: Ihre kleine Tochter verstarb mit knapp zwei Jahren an Komplikationen, die die Glasknochenkrankheit mit sich bringen kann. Nun wünscht sich die Familie erneut ein zweites Kind – aber aufgrund ihrer Erfahrungen möchte sie kein Risiko mehr eingehen und tendiert zu einer künstlichen Befruchtung.
Auswahlverfahren im Kleinen
Hierzulande ist die Präimplantatsdiagnostik (PID) noch nicht erlaubt, die zeigen würde, ob Spermium und Eizelle die Genmutation tragen. Doch in diesem Fall ist die PID gar nicht zwingend erforderlich, weil auch die Polkörperdiagnostik zur Verfügung steht, die zwar aufwändig, aber erlaubt ist: Hier werden ausschliesslich die Eizellen – also die Gene der Mutter – untersucht. Zur Vermeidung der Glasknochenkrankheit beim Baby reicht es aus, wenn ein Elternteil gesunde Gene mitgibt. Eizellen, die die Glasknochen-Genmutation aufweisen, werden entsprechend erst gar nicht befruchtet. Ein legitimer, nachvollziehbarer Weg – oder ein Auswahlverfahren, das ethische Grenzen überschreitet?
Seitdem es Möglichkeiten gibt, die Gesundheit des Babys im Mutterleib zu überprüfen, gibt es Stimmen dagegen. Als 1958 das erste Mal ein Baby im Mutterleib per Ultraschall dargestellt wurde, wurden Befürchtungen laut, der Mensch beginne, der Natur ins Handwerk zu pfuschen. Ähnliches geschah, als in den 1960er-Jahren Chromosomen-Untersuchungen im Fruchtwasser möglich wurden. Zeitgleich begannen Diskussionen um legale Abtreibungen – 1977 entschied sich die Schweiz mit knapp 52 Prozent dagegen. 1995 kochte die Diskussion wieder auf. Erst seit 2002 ist der Schwangerschaftsabbruch bis zur zwölften Schwangerschaftswoche gesetzlich verankert. 1985 kam das erste Schweizer Retortenbaby auf die Welt. 2004 stimmten 66 Prozent für ein Stammzellforschungsgesetz, das die Forschung an embryonalen Stammzellen erlaubt. Alles Wendepunkte mit grossen Diskussionen. Nun, 2015, steht die Schweiz erneut vor einer grossen Frage: Wollen wir auch Gesundheitschecks an Embryos zulassen? Falls ja, stehen viele Eltern vor der nächsten grossen Frage: Und was fangen wir dann mit dem neuen Wissen an?
Im «Input» kommen zwei betroffene Familien zu Wort und erzählen, wie sie heute mit ihren Entscheidungen leben.