Es ist knapp ein Jahr her: Der chinesische Forscher He Jiankui gab in Hongkong bekannt, dass zwei Babys mit verändertem Genom auf die Welt gekommen waren. He sagte, sie seien nun resistent gegen HIV.
Der Aufschrei war riesig. Das einhellige Urteil der Forscherwelt: Zu früh, unverantwortlich und viel zu gefährlich. Die verwendete Technik – die Genschere CRISPR-Cas – sei noch viel zu neu und zu wenig verstanden.
Das grosse Versprechen
Inzwischen ist aber klar, dass mindestens ein Forscher Ähnliches vorhat wie He. Denis Rebrikov aus Russland sucht im Moment gehörlose Paare mit Kinderwunsch und verspricht ihnen, dass sie mit seiner Hilfe hörende Kinder bekommen können.
Gleichzeitig versuchen Forscher und Forscherinnen in den USA und Grossbritannien einen Prozess in Gang zu setzen . Sie wollen einen international anerkannten Rahmen für diese Art der Forschung schaffen. Dabei soll auch geklärt werden, in welchen Fällen ein solcher Eingriff ins Erbgut von Embryonen gerechtfertigt wäre.
Unser Erbgut verändert sich täglich
Einer dieser Forscher ist Matt Porteus von der Stanford-Universität in den USA. Er ist ganz vorne mit dabei bei der Erforschung von Gentherapien. Porteus setzt die Genschere CRISPR-Cas beispielsweise ein, um Leber- oder Hirnzellen genetisch zu verändern und so Krankheiten zu heilen.
Porteus relativiert: «Wir Menschen tun täglich Dinge, die unser Erbgut verändern. Wir fliegen, wir gehen in die Sonne.» Sein Ziel ist, dass Gentherapie ungefährlicher wird als die Einflüsse, denen wir uns ohnehin täglich aussetzen.
«Wir sind noch nicht so weit»
Das Erbgut von Embryonen zu verändern, sei aber etwas ganz anderes. Die Veränderung betreffe dann nicht mehr nur ein paar Tausend Körperzellen, sondern wird von ihrem Träger an die Nachkommen weitergegeben.
«Soweit sollten wir noch nicht gehen», mahnt Proteus. Die Technik sei noch nicht sicher. Der Forscher aus Standford ist überzeugt, dass es noch viele Jahre Arbeit braucht, bis die Genschere sicher angewandt werden kann.
Probleme beheben
Das Projekt von Denis Rebrikov – gehörlose Eltern hörende Kinder zu ermöglichen – ist genetisch betrachtet allerdings durchaus schlüssig: Gehörlosigkeit ist häufig genetisch bedingt. Und oft weiss man genau, wo der Fehler im Erbgut steckt.
Viele gehörlose Paare wissen zudem sicher, dass sie ihre Gehörlosigkeit an ihre Kinder weitervererben werden. Sie haben ohne gentechnischen Eingriff keine Chance auf hörende Kinder.
Was, wenn man weiss, wie es geht?
«Es wird schwer werden, Nein zu sagen, wenn wir einmal wissen, wie es geht.» Das sagt Steve Brown vom britischen MRC Harwell Institute. Er erforscht dort die genetischen Grundlagen von Taubheit.
Der Plan des Russen sei deshalb grundsätzlich anders gelagert als das, was der Chinese He Jiankui getan habe. HIV-resistente Babys zu zeugen sei medizinisch nämlich gar nicht unbedingt nötig.
Denn mit antiviraler Therapie kann man HIV bei Eltern so weit kontrollieren, dass die Gefahr für die Babys minim ist. Es hätte also eine sinnvolle Alternative gegeben.
Sorgfalt vor Geschwindigkeit
Ob Rebrikov schon ein Paar gefunden hat, das den Eingriff machen will, ist etwas undurchsichtig. Ob er die staatliche Bewilligung bekommt, ist auch noch offen. Wann das nächste Baby mit verändertem Erbgut zur Welt kommt, ist also schwer abzuschätzen.
Klar ist aber: Es gibt einzelne, die vorpreschen, um die neuen Möglichkeiten schnell zu nutzen. Gleichzeitig versucht die restliche Forschergemeinde einen sinnvollen Rahmen zu schaffen. Ihr Ziel: ein behutsameres Vorgehen.