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Gesundheitsüberwachung Zuhause Wearables in der Medizin werden immer schlauer 

Blutzucker, Puls, Blutdruck – Mediziner und Medizinerinnen erfassen und nutzen alle Informationen, die sie kriegen können. Dank Wearables am Körper wird diese Information lückenloser, und sie kann auch Zuhause erfasst werden. Das nützt vor allem den Betroffenen. 

In der Schwangerschaftsbetreuung gehört es zum normalen Prozedere, die Herztöne des Kindes und andere Vitalparameter zu kontrollieren, in der Regel einmal pro Monat. Gegen Ende der Schwangerschaft und während der Geburt kommt der Herztonwehenschreiber, das sogenannte CTG, zum Einsatz. Die Technologie ist bewährt – aber sie habe Nachteile, sagt Anda Radan, Oberärztin an der Frauenklinik des Inselspitals Bern: «Seit den 1960er-Jahren hat sich die Grösse der Elektroden nicht verändert», sagt die Ärztin. 

Fernziel: Überwachung Zuhause

Mit grossen Sensoren auf dem Bauch muss die Patientin auf dem Rücken liegen; möglichst ruhig, damit das Aufzeichnungsgerät die Signale empfangen und registrieren kann. Diese sperrige Messmethode sei nicht mehr zeitgemäss, findet Anda Radan. Seit 2019 arbeitet sie an der Entwicklung eines bequemen Schwangerschaftsgurts, der mit sogenannten Trockenelektroden funktioniert. 

Auf dem Bild ist ein Schwangerschaftsgurt zu sehen.
Legende: Anda Radans Schwangerschaftsgurt könnte nach den geplanten klinischen Studien in drei, vier Jahren auf den Markt kommen.  ZVG

Das Fernziel sei die Überwachung Zuhause. Das würde vielen Frauen nützen, vor allem den Risiko-Schwangeren, sagt Anda Radan: «Wenn die Mutter krank wird, oder wenn sich das Kind nicht so gut entwickelt, entscheidet man sich heute häufig für eine Hospitalisation. Dies liesse sich künftig durch eine engmaschige Heimüberwachung vermeiden.» Die Sicherheit des Spitals habe ihren Preis: Das lange Liegen sei weder für die Gesundheit der Mutter noch für ihre Psyche gut – und auch nicht für den Fötus.

Den Schwangerschaftsgurt entwickelt haben Ingenieure des Technologie-Innovationszentrums CSEM in Neuenburg. Eine Abteilung des CSEM ist vor kurzem auf dem Berner Insel-Campus eingezogen. Mit der Universität und dem Kanton Bern im Rücken, will das InselspitalBern medizintechnologische Innovationen selbst vorantreiben.  

Die Stimme als Warnsystem nutzen

Christoph Stettler ist Klinikdirektor und Professor für Diabetologie. Seine Vision ist ein Warnsystem für Menschen mit Diabetes, das über die Stimme funktioniert.

Das Risiko Unterzuckerung

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Ein Problem bei Diabetes ist der stark schwankende Blutzucker: «Um eine Unterzuckerung zu vermeiden, müssen Betroffene immer wieder den Blutzucker messen», erklärt der Diabetologe Chrsitoph Stettler vom Inselspital Bern.

Sensoren, die dauerhaft am Oberarm kleben, hätten das Messen zwar vereinfacht, «aber die messen am falschen Ort, nämlich im Unterhaut-Fettgewebe.» Dadurch hinke der Messwert dem eigentlichen Blutzuckerwert immer etwas hinterher. 

Dieses «etwas Hinterherhinken» kann fatal sein, weil der Blutzucker manchmal rasend schnell ins Bodenlose fällt und Betroffene nicht mehr rechtzeitig reagieren können.

Als Arzt merkt Christoph Stettler, wenn seine Patienten und Patientinnen knappe Blutzuckerwerte haben, und zwar an der Stimme: «Da mein eigener Vater Diabetiker ist, sind mir solche Stimmveränderungen seit Kindesbeinen vertraut.» 

So ist er auf die Idee gekommen, die Stimme als Warnsystem zu nutzen, und tat sich mit dem CSEM zusammen.  

Den Unterschied erkennen – die KI kann es

Im Labor schlüsselten die Forschenden die Stimmen von Diabetikern auf - nach Höhe des Tons, Rhythmus, Präzision in der Aussprache etc. Die Probandinnen und Probanden mussten gewisse Tonabfolgen oder Textabschnitte zweimal vortragen: im normalen und im unterzuckerten Zustand.«Dank Machine Learning und Künstlicher Intelligenz konnten wir Unterschiede feststellen», sagt Christoph Stettler. 

Auf dem Bild ist ein Mann mit Brille zu sehen.
Legende: Auch bei Epilepsie können Wearables helfen: Ein an der Brille befestigter Chip misst kontinuierlich die Hirnströme. So können Menschen mit Epilepsie vor Anfällen gewarnt werden. ZVG

Diese seien bei manchen Probanden sehr deutlich, bei anderen kaum hörbar. Der Algorithmus jedoch, der registriere die Unterschiede immer – zumindest in der Pilotstudie. Im nächsten Schritt will die Forschungsgruppe das Ganze im normalen Alltag testen, mit seinen vielen Störgeräuschen. 

Und wenn all diese Hürden genommen sind? Dann, sagt Christoph Stettler, wäre es durchaus denkbar, dass das Smartphone eines Tages Betroffene warnen könnte: «Hey, du bist hypoglykämisch! Setz dich hin und iss etwas Süsses!»

Wissenschaftsmagazin, 11.11.2023, 12:40 Uhr

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