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Gewalt am Ende des Lebens

Häusliche Gewalt, das ist in der weit verbreiteten Vorstellung der Mann, der zuhause seine Frau oder seine Kinder schlägt. Aber alte Menschen als Opfer in den eigenen vier Wänden? Das ist gar nicht so selten.

Grausamkeit gegen alte Menschen – ob seelisch oder körperlich – ist keine Ausnahme. Etwa eine von fünf Personen berichtet, im häuslichen Umfeld schon einmal Gewalt erfahren zu haben. Das ist aus Umfragen erhärtet – aber die Dunkelziffer ist hoch. Bei der UBA, der Unabhängigen Beschwerdestelle für das Alter in Zürich und Schaffhausen, geht pro Tag eine Schreckensmeldung zu häuslicher Gewalt am Lebensende ein.

«Wenn man genau hinschaut, dann sieht man oft blaue Flecken bei älteren Menschen. Nicht alle sind von Stürzen. Es gibt Betreuende oder Angehörige, die überfordert sind und dann auch zuschlagen», sagt der pensionierte Stadtarzt Albert Wettstein, der sich auch bei der UBA engagiert. Doch körperliche Gewalt trifft nur jeden 40. pflegebedürftigen Menschen.

Viel häufiger sei die psychische Gewalt – durch Diskriminierungen oder Beschimpfungen beispielsweise, die sehr viel seelisches Leid bereitet. Auch Vernachlässigung oder finanzielle Ausbeutung sind verbreitet.

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Gewalt am Ende
aus Kontext vom 09.09.2014. Bild: Keystone
abspielen. Laufzeit 28 Minuten 19 Sekunden.

Risikofaktoren sind von Seiten des Opfers eine Pflegebedürftigkeit – sei es, dass sie aufgrund körperlicher Gebrechen auf Hilfe angewiesen sind oder aus geistigen Gründen organisatorische Unterstützung brauchen. So sind Demente besonders oft Opfer häuslicher Gewalt.

Von Seiten der Pflegenden steigt das Risiko an, je isolierter sie mit dem pflegebedürftigen Menschen zusammenleben. Denn die Rundumbetreuung eines alten Menschen zuhause – Familienbande hin oder her – ist eine grosse psychische und physische Belastung. Wenn die Stimmung dann kippt, liegt das in den seltensten Fällen daran, dass die Pflegenden einen alten Menschen bewusst sadistisch quälen wollen. Vielmehr ist für sie die Grenze des Tragbaren überschritten.

Hilfe organisieren und annehmen

Denn wer sich in der Pflege eines alten Menschen aufopfert, bekommt dafür nicht immer Dankbarkeit zurück. Viele Pflegende sehen sich mit einem massiven Widerstand gegen jegliche Hilfe oder einer überhöhten Erwartungshaltung konfrontiert. Entsteht eine solche Überforderungssituation, ist die Spitex gefordert, selbst wenn ein alter Mensch sie ablehnt – da braucht es von Seiten der Angehörigen manchmal die nötige Härte.

Gewalt kann aber auch dort beginnen, wo Angehörige bewusst wegschauen, die Situation verharmlosen und damit den alten Menschen in seinen Sorgen, Nöten und Bedürfnissen abwerten und nicht Ernst nehmen.

Pflegen geht nur mit guter Organisation

Wer in die Situation kommt, einen Menschen zuhause zu pflegen, sollte folgende Punkte bedenken:

  • Vorausschauend planen: Wie soll gepflegt werden, wie lässt sich die Wohnsituation gut gestalten, ist eine weitere Hilfe (Spitex oder andere Angehörige) fest planbar?
  • Absprachen: Liegt die Rundum-Betreuung in der Hand nur eines Angehörigen, sollte familiär abgesprochen sein, dass er dafür finanziell entlohnt wird. Denn dann fällt die Betreuung auch leichter, wenn seitens des Pflegebedürftigen nicht viel Dankbarkeit zurückkommt.
  • Entlastung mit einplanen: Freizeit während der Woche fest einplanen und organisieren, Ferienzeiten bedenken.

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