Sie sind winzig klein, aber mit grossen, oftmals ungewissen Folgen für die Gesundheit: Chemikalien, die in Plastik-Produkten versteckt sind. Und davon gibt es über 13'000, wie der aktuelle Bericht des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP) aufzeigt . «Es sind bestimmt noch weit mehr», sagt Zhanyun Wang, der an Kunststoffen forscht und am Bericht mitgearbeitet hat.
Ein Vierteil der gefunden chemischen Substanzen seien problematisch für unsere Gesundheit, so der Bericht. Bei ungefähr 50 Prozent der gefundenen Chemikalien sei unklar, wie sie sich auf unsere Gesundheit und die Umwelt auswirken.
Klar ist hingegen, dass die eigenen Lebensumstände und biologische Aspekte einen Einfluss haben, wie gross das Risiko für die Gesundheit ist. Besonders hoch ist es für Frauen, heisst es im Bericht. Denn sie sind weltweit übervertreten in Berufen, in denen man Kunststoffen ausgesetzt ist – wie in der Textilindustrie.
Hinzu kommt, dass gewisse Produkte wie Kosmetika und Hygieneprodukte, die ebenfalls schädliche Chemikalien enthalten können, mehrheitlich von Frauen gekauft werden. So können Binden und Tampons hormonell wirksame Substanzen wie Bisphenol A (BPA) und Bisphenol S (BPS) enthalten. Diese können das fein austarierte Hormonsystem aus dem Gleichgewicht bringen. Unter dem Begriff endokrine Disruptoren werden solche Stoffe gefasst, die auf das Hormonsystem einwirken und unserer Gesundheit schaden.
Besonders sensible Lebensphasen
Etliche Krankheiten wie Brustkrebs, Unfruchtbarkeit, verfrühte Pubertät, Fettleibigkeit und Diabetes werden mit diesen hormonwirksamen Chemikalien in Verbindung gebracht. In Lebensphasen wie in der Pubertät, Stillzeit, Menopause und Schwangerschaft reagiert der weibliche Körper besonders sensibel auf die schädlichen Substanzen.
Ein weiterer biologischer Faktor ist, dass Frauen über mehr Körperfett verfügen. Darin reichern sich fettlösliche Chemikalien wie Phthalate an. Diese werden in Kunststoffen verwendet, um sie weich und flexibel zu machen. Auch sie haben einen Einfluss auf die Geschlechtshormone, sowohl auf die weiblichen und männlichen.
Obwohl Männer den chemischen Zusatzstoffen im Plastik nicht so stark ausgesetzt sind wie Frauen, haben diese bei ihnen auch weitreichende gesundheitliche Folgen. Sie können zu Hodenkrebs, Missbildungen der Geschlechtsorgane oder Unfruchtbarkeit führen.
Auch Kinder sind gefährdet
Zhanyun Wang, Forscher an der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt Empa, relativiert den Gender-Gap: Es gebe zwar Hinweise, aber es mangle schlicht an Daten. «Wir kennen nicht annähernd alle Chemikalien, die in Kunststoffen vorhanden sind. Genauso schwer abschätzbar ist das Ausmass davon für unsere Gesundheit.»
Chemikalien in Plastik sind eine versteckte Gefahr für unsere Gesundheit, der sich Konsumenten kaum bewusst sind.
Im Bericht wird darauf hingewiesen, dass auch Kinder besonders gefährdet sind, weil Spielzeug und anderen Kinderartikeln oftmals aus Plastik bestehen. Eine schwedische Studie zeigt, dass eine hohe Weichmacher-Konzentration in Kinderzimmern mit Asthma und Allergien zusammenhängt.
«Chemikalien in Plastik sind eine versteckte Gefahr für unsere Gesundheit, der sich Konsumenten kaum bewusst sind. Dieses Wissen ist aber nur schwer oder gar nicht zugänglich», so Wang. Der Umweltwissenschaftler sieht Industrie und Regierungen in der Verantwortung, mehr Transparenz zu schaffen und internationale Regulierungen voranzubringen.