Der Mensch ist eigentlich von Natur aus für den Verzicht gebaut. Fehlt ein paar Tage die Nahrung, wird das für Gesunde nicht gefährlich; dafür haben wir im Körper Reserven in Form von Proteinen und vor allem Fett.
Die Zuckerspeicher halten bei fehlendem Nachschub mit Kohlehydraten nur etwa einen Tag vor, dann wird die Energie aus den Reserven bereitgestellt. Es ist vor allem die Umstellung des Stoffwechsels auf die Fettverbrennung, die sogenannte Ketogenese, die weitreichende Auswirkungen hat. Davon sind Forscher wie Valter Longo überzeugt.
Der Direktor des Langlebigkeitsinstituts der University of South California in Los Angeles stützt sich auf Studien, die dazu mit Versuchstieren und zum Teil auch mit Menschen durchgeführt wurden. «Aus wissenschaftlicher Sicht sind die Effekte sehr eindeutig», sagt Valter Longo im Interview mit «Puls». Mäuse, die im Versuch immer wieder Fastenperioden ausgesetzt werden, haben weniger Stoffwechselerkrankungen, weniger Krebs, weniger Entzündungen und leben insgesamt länger.
Menschen kann man nicht denselben Versuchen unter streng kontrollierten Bedingungen aussetzen wie Mäuse. Doch aus den Studien mit Fastenden sei auch für den Menschen klar bewiesen, dass sich verschiedene messbare Parameter wie Blutzuckerspiegel, Faktoren für Entzündungen und selbst Krebs durchs Fasten verbessern.
Gesunde Essenspausen
Auch an der ETH Zürich wird erforscht, wie sich das Fasten auf die Gesundheit auswirkt. Bei den Versuchen mit Mäusen im Tierlabor zeigt sich dabei besonders, dass sich der westliche Ernährungsstil mit drei Haupt- und weiteren Zwischenmahlzeiten unvorteilhaft auf die Bewegungsaktivität auswirkt und damit Krankheiten wie Diabetes, Entzündungen und Krebs begünstigt.
Ausgedehnte Essenspausen über 16 Stunden sind gesund, ist ETH-Molekularbiologe Markus Stoffel überzeugt. Fehlt nämlich die Nahrung, wird dadurch im Hirn ein Steuerungseiweiss (Foxa2) aktiv, das eine anregende Wirkung hat. Und dies steigert nicht nur die körperliche Aktivität sondern auch die geistige Aufmerksamkeit.
Das Fasten imitieren
Ein Problem bleibt: Nur wenige Menschen können oder wollen ganze Mahlzeiten auslassen oder sogar Fastentage oder -wochen einschieben. ETH-Professor Markus Stoffel musste einmal eine Studie abbrechen, weil es den Probanden zu schwer fiel, nur zwei- statt dreimal täglich zu essen. Auch Ärzte und Ernährungsberaterinnen wissen, wie schwer es Menschen fällt, die Ernährung umzustellen – besonders jenen, die am meisten davon profitieren würden.
Altersforscher und Biologe Valter Longo versucht dieses Problem mit einer fasten-imitierenden Diät zu umgehen: Statt vollständig auf die Nahrungszufuhr zu verzichten, muss dabei die Kalorienaufnahme auf täglich 800 bis 1100 Kalorien beschränkt werden, und dies während mindestens fünf Tagen. Das habe die gleichen positiven Effekte auf die Gesundheit wie Vollfasten, erklärt er gegenüber «Puls». Zudem habe sich bei zwei ersten Studien mit Menschen gezeigt, dass nur wenige dieses eingeschränkte Essensregime nicht durchhalten konnten.
Die zweite grössere Studie ist bereits abgeschlossen, aber noch nicht publiziert. Valter Longo aber ist zuversichtlich, dass mit einer fasten-imitierenden Diät viel mehr Menschen von den positiven Wirkungen des Fastens profitieren könnten als bisher. Mindestens ein- bis zweimal im Jahr müsste man sich einer solchen Diät unterziehen, um eine präventive oder heilsame Wirkung zu erzielen.
Schulmedizin wartet auf grössere Studien
Ärzte wie Philipp Schütz, Endokrinologe am Kantonsspital Aarau, würden ihren Patienten trotzdem noch keine Fastenkur empfehlen. Die vorliegenden Studien seien zwar vielversprechend, die Resultate müssten aber zuerst durch weitere klinische Studien an Patienten mit mehr Versuchspersonen bestätigt werden, sagt der Stoffwechselspezialist.
Zudem weist er darauf hin, dass Menschen mit chronischen Erkrankungen, Risiko für Gicht oder solche, die dauerhaft Medikamente einnehmen (zum Beispiel gegen Diabetes), nicht fasten sollten, ohne sich zuerst mit ihrem Arzt abzusprechen. Für gesunde Menschen sei kurzzeitiges Fasten hingegen gesundheitlich weniger bedenklich, so Schütz.